FONDS exklusiv: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu einer Zeitenwende an den Finanzmärkten geführt. Was sind die größten Herausforderungen?
Georg Daurer: Der Ukraine-Krieg hat einige Probleme dramatisch zugespitzt, die aber nach Einschätzung einiger Experten schon da waren, wenngleich nicht mit dieser Dynamik. Das gilt für die erhöhte Inflation ebenso wie für den Zinsanstieg. Hinzu kommt, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, wie zum Beispiel die massiven Lieferengpässe, bereits inflationstreibend gewirkt haben.
Welche Folgen ergeben sich hieraus für die Pensionsvorsorge?
G. D.: Auch Vorsorgeeinrichtungen werden mit einem Rückgang von realen Kapitalwerten konfrontiert. Hierin zeigt sich die Besonderheit der aktuellen Krise, weil fast alle Assetklassen, insbesondere Aktien und Anleihen, von teils massiven Wertverlusten betroffen sind. Angesichts der deutlich erhöhten Inflation müssen wir konstatieren, dass es in der nächsten Zeit nicht möglich sein wird, reale Gewinne zu erwirtschaften. Festzuhalten bleibt aber, dass die Kapitalwerte von professionellen Vermögensverwaltern gemanagt werden und dass die Veranlagung in der Pensionsvorsorge langfristig über Jahrzehnte hinweg ausgerichtet ist. Das ist wichtig, weil die private und betriebliche Vorsorge jetzt noch bedeutsamer wird.
Wie meinen Sie das?
G. D.: Die Einkommen der Menschen nehmen real ab und damit auch die staatlichen Pensionen. Folglich wächst die Pensionslücke, sodass der Bedarf auch an betrieblicher Pensionsvorsorge steigt. Erfreulicherweise entwickelt sich der Arbeitsmarkt sehr gut, was sich bei unserer Vorsorgekasse, in der Beschäftigte aus ganz Österreich einzahlen, in steigenden Beiträgen niederschlägt. Zudem wird das Beitragsvolumen in den nächsten Monaten aufgrund von Lohnerhöhungen als Ergebnis der anstehenden Tarifverhandlungen zunehmen.
Wie reagieren Sie als Vorsorge- und Pensionskasse bei der Veranlagung auf diese Situation?
G. D.: Wir setzen den seit Jahren laufenden Prozess fort, das Anleihesegment zugunsten von Infrastruktur-, Alternative- und Private Equity-Investments zu verkleinern, um so auch inflationsgeschützte Erträge zu erzielen. In der Pensionskasse können wir dies im Rahmen unseres Risikomanagements tun. In der Vorsorgekasse begrenzen uns leider nach wie vor gesetzliche Vorschriften bei den genannten Assetklassen, obwohl diese größtenteils positive Anlageergebnisse lieferten. Gerade mit Blick auf Veranlagung, Finanzstärke, aber auch Datensicherheit erweisen sich unsere Gesellschafter, die Versicherer Generali und Zurich, mit einem Anteil von jeweils 50 Prozent als Stabilitätsanker.
Laut WIFO sollten wir uns infolge der horrenden Energiepreise noch für mehrere Jahre auf eine höhere Inflation einstellen? Wie würde sich das auf die betriebliche Vorsorge auswirken?
G. D.: Die Arbeitslosigkeit könnte zunehmen, sodass Beitragszahlungen verringert oder eingestellt werden. Zudem könnte eine anhaltend erhöhte Inflation die Lebenshaltungskosten derart erhöhen, dass Österreicher ihre finanzielle Pensionsvorsorge reduzieren. Das wäre verständlich, weil die Grundversorgung mit Wärme und Energie Vorrang hat. Aber für den Vermögensaufbau im Alter wäre das äußerst nachteilig.
Wie könnte der Staat bei der betrieblichen Vorsorge sinnvoll gegensteuern?
G. D.: Im Sinn langfristiger Pensionsvorsorge wäre es wichtig, in der Vorsorgekasse die Entnahmemöglichkeit nach drei Jahren zu streichen. Mit Blick auf die erhöhte Inflation wäre es zudem wichtig, die Beiträge an Vorsorgekassen von derzeit 1,53 auf 2,5 Prozent zu erhöhen. Schließlich war die Zielsetzung bei der Einführung 2002, dass nach 37,5 Jahren ein Volumen in Höhe eines Jahresgehalts erzielbar ist. Die Vorsorgekassen haben daher vorgeschlagen, die erhöhten Beiträge kostenfrei zu verwalten, damit dieses Ziel wieder erreichbar ist. Schon länger fordert die Branche, die Eigenbeiträge von Beschäftigten in der Pensionskasse steuerlich zu fördern, weil wir uns davon einen starken Effekt erwarten.