Die Energiekrise hat sich auf Anhieb unter den größten Sorgen der österreichischen Unternehmer etabliert und belegt hinter der Cyberbedrohung den zweiten Platz im Ranking der größten Geschäftsrisiken. Dies geht aus dem zum zwölften Mal veröffentlichten Allianz Risk Barometer hervor. Auch in der globalen Rangliste führen die Gefahren aus dem Internet, gefolgt von Betriebsunterbrechungen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen wie Inflation oder Finanzmarktturbulenzen. Naturkatastrophen und Klimawandel haben hingegen im letzten Jahr für Wirtschaftstreibende an Bedrohlichkeit verloren. Die Pandemie scheint weltweit und in Österreich überwunden und zählt nicht mehr zu den Top Ten-Gefahren.
BEDROHLICHE ENERGIEKRISE
38 Prozent der heimischen Unternehmen fühlen sich aktuell von der Energiekrise bedroht. „Die explodierenden Kosten haben vor allem energieintensive Branchen gezwungen, Energie effizienter zu nutzen, ihre Produktion an alternative Standorte zu verlagern oder sogar vorübergehende Stilllegungen in Betracht zu ziehen. Die daraus resultierenden Engpässe drohen, zu Versorgungsunterbrechungen in einer Reihe von Branchen zu führen – etwa in den Bereichen Lebensmittel, Landwirtschaft, Chemie, Pharmazie, Bauwesen und verarbeitendes Gewerbe“, erklärt Stefanie Thiem, Hauptbevollmächtigte der Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) in Österreich. Wenn solche Basisindustrien Probleme haben, könne sich dies auch auf Sektoren weiter unten in der Wertschöpfungskette auswirken.
Aber nicht nur die Energiekrise, sondern auch das nach wie vor meist gefürchtete Risiko aus dem Internet, der massiv gestiegene Fachkräftemangel und die bedrohliche wirtschaftliche Entwicklung infolge des anhaltenden Krieges in der Ukraine bereiten heftiges Kopfzerbrechen. „Die gute Nachricht ist, dass wir als Versicherer bei vielen Betrieben kontinuierliche Verbesserungen in Sachen Resilienz und Risikomanagement feststellen. Viele Unternehmen haben ihre Lieferketten robuster gemacht, sind besser gewappnet gegen Unterbrechungen ihres Geschäftsbetriebs und haben ihre Cyberkontrollen ausgebaut. Widerstandsfähiger zu werden und Risiken besser zu managen, war für viele Unternehmen eine zentrale Aufgabe in den vergangenen Jahren“, betont Joachim Müller, CEO der AGCS.
CYBERRISIKEN BLEIBEN HOCH
Zum zweiten Mal in Folge werden Cybervorfälle wie IT-Ausfälle, Ransomware-Attacken oder Datenschutzverletzungen als größte Bedrohung eingestuft, international ebenso wie in Österreich. Betroffen sind in zunehmendem Maße kleinere und mittlere Unternehmen, die dazu neigen, ihre Gefährdung zu unterschätzen. Laut Allianz dürfte vor allem die Häufigkeit erpresserischer Cyberangriffe im heurigen Jahr deutlich erhöht bleiben. Geopolitische Spannungen steigern zudem das Risiko eines groß angelegten Cyberangriffes durch staatlich geförderte Akteure. Und dazu komme noch ein spürbarer Mangel an Fachkräften für Cyber-Sicherheit als zusätzliche Herausforderung. „Cyberangriffe sind auch das meistgefürchtete Risiko für Betriebsunterbrechungen. Unternehmen jeder Größenordnung sollten daher konsequent und dauerhaft in die Stärkung ihrer Cyberkontrollen investieren“, rät Thiem.
REZESSION KAUM ZU VERHINDERN
Zu den Top-Risiken, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sehen, zählt auch die derzeit höchst volatile wirtschaftliche Entwicklung. Weltweit, so rechnen die Allianz-Experten, werde die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in diesem Jahr um 19 Prozent steigen. Die Inflation sei besonders besorgniserregend, da sie die Preisstruktur und die Margen vieler Unternehmen auffresse. Wie der Realwirtschaft steht auch den Finanzmärkten ein schwieriges Jahr bevor, da die Zentralbanken überschüssige Liquidität aus dem gesamten System abziehen und die Handelsvolumina selbst in historisch liquiden Märkten zurückgehen. 2023 dürfte eine Rezession in Europa und den USA somit kaum zu verhindern sein.
Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz, sieht aber trotz aller Probleme Licht am Ende des Tunnels: „Zum einen hilft die Zinswende, wovon nicht zuletzt Millionen von Sparern profitieren. Auch die mittelfristigen Aussichten sind trotz – oder gerade wegen – der Energiekrise deutlich besser. Die Folgen, die über die erwartete Rezession im heurigen Jahr hinausgehen, zeichnen sich bereits ab: ein forcierter Umbau der Wirtschaft in Richtung Dekarbonisierung sowie ein erhöhtes Risikobewusstsein in allen Teilen der Gesellschaft, das die soziale und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit stärkt.“
An der Studie beteiligten sich insgesamt 2.712 Experten in 94 Ländern – darunter zahlreiche Führungskräfte und Risikomanager führender Unternehmen weltweit.