FONDS exklusiv: Die Notenbanken erhöhen die Zinsen, um die Inflation zu bekämpfen. Das macht Sparbücher wieder attraktiv, war in der Tagespresse zu lesen. Teilen Sie die Meinung?
Stefan Otto: Vom Grundsatz her ist das richtig, weil die Sparbuch-Guthaben höher verzinst werden. Zweierlei sollten Herr und Frau Österreicher aber bedenken: Erstens geben die Banken die Zinserhöhungen der Notenbanken nicht unmittelbar im gleichen Umfang weiter. Zweitens muss auch der Sparbuch-Zins im Verhältnis zur Inflation betrachtet werden. Denn Sparbücher verlieren angesichts einer hierzulande seit Monaten anhaltend zweistelligen Inflationsrate trotz Zinserhöhungen weiterhin deutlich an Wert beziehungsweise Kaufkraft.
Was bedeutet das für den Sparer?
S. O.: Als Kapitalpuffer sollten etwa zwei bis drei Monatsgehälter auf dem Sparbuch für Notfälle jederzeit verfügbar verbleiben. Mehr aber nicht.
Welche Alternativen schlagen Sie vor?
S. O.: Gerade in diesen Zeiten erhöhter Inflation eröffnet mittel- bis langfristig nur die Aktienanlage eine Chance auf realen Wertzuwachs, also ein Plus an Kaufkraft. Vom Kauf einzelner Aktien rate ich dem „Normalsparer“ aber eher ab. Sicherlich 95 Prozent unserer Bevölkerung sind hier mit dem Einstieg in Fonds besser beraten. Bei Fonds sind erfahrene Manager am Ruder, die von Berufs wegen über das nötige Spezialwissen verfügen, sodass Sparer gut schlafen können, selbst wenn die Kurse zeitweise stärker schwanken. Investieren sie dann per Sparplan, profitieren sie bei fallenden Kursen von einem sinkenden Anteilspreis.
Sie zielen auf den Cost Average Effekt ab, der sich aber nicht für jeden leicht erschließt, oder?
S. O.: Das stimmt. Deshalb erkläre ich den Effekt gern an dem alltäglichen Beispiel eines Apfel-Einkaufs. Ein Kunde kann entweder jeden Monat ein Kilo Äpfel kaufen und gibt dafür einen bestimmten Geldbetrag aus. Oder er kann jeden Monat denselben Betrag zum Apfel-Einkauf verwenden. Bei sinkenden Preisen zeigt sich, dass er bei der zweiten Variante insgesamt mehr Äpfel zu einem niedrigeren Durchschnittspreis gekauft hat. Übertragen auf die Fondsanlage bedeutet das: Fallende Kurse eröffnen dem Kunden die Chance, mehr Fondsanteile zu erwerben, weil er zu günstigeren Anteilspreisen gekauft hat. Durch einen Blick auf mehrere Depotauszüge lässt sich das sehr gut nachvollziehen.
Könnte sich die klassische Lebensversicherung als Alternative zum Sparbuch empfehlen? Laut Anbietern nehmen Kunden über das Sicherungsvermögen der Gesellschaft in Form von Überschussbeteiligungen an den Ertragschancen teil.
S. O.: Auf den ersten Blick schon. Doch enge regulatorische Vorgaben der Finanzaufsicht und die Bereitstellung von Kapitalgarantien, selbst bei einem Garantiezins von aktuell null Prozent, lassen den Lebensversicherern nur sehr begrenzen Freiraum, in Aktien und Aktienfonds zu investieren. In der Praxis führt dies dazu, dass die Aktienquote gewöhnlich kaum größer ist als fünf bis zehn Prozent, während der Großteil der Sicherungsvermögen in Anleihen investiert ist, die aktuell kaum Erträge abwerfen. Die Teilhabe der Kunden an chancenreichen Investments an den Börsen ist also vergleichsweise gering.
Fakt ist aber auch, dass Aktienanlagen 2022 massiv an Wert verloren haben. Viele können das nicht aushalten, Herr Otto. Was dann?
S. O.: Ja, aber wir reden über langfristige Sparprozesse wie die Altersvorsorge, die auf 15, 20 oder mehr Jahre ausgelegt sind. Wer in der Vergangenheit zu 100 Prozent beispielsweise in den deutschen Aktienindex investiert hatte, konnte ab dem zehnten Jahr jährlich positive Anlageergebnisse erzielen – und das trotz mehrerer Krisen wie die Finanzkrise 2008/2009 und die Corona-Krise 2019. Fondsanlagen, sei es direkt oder via Polizze, stellen die beste Wahl dar. Denn Kunden können beim Vermögensaufbau nur so der Inflation ein Schnippchen schlagen.