FONDS exklusiv: Was macht die betriebliche Altersvorsorge, kurz BAV, für Unternehmen attraktiv?
Günther Kahlfuss: Die BAV dient nicht nur der späteren finanziellen Ergänzung zur staatlichen Pension, sondern kann bereits jetzt einen nachhaltigen Vorteil im Wettbewerb um neue Talente und qualifizierte Mitarbeiter bieten. Und auch für Gesellschafter-Geschäftsführer selbst bietet die BAV Möglichkeiten, für die eigene Pension vorzusorgen und die Pensionslücke zu schließen.
Jürgen Sykora: Es erstaunt mich immer wieder, wie wenig Aufmerksamkeit Unternehmen und ihre Mitarbeiter der staatlichen Pension schenken. Dabei ist es so einfach, sich darüber zu informieren. Menschen, die ab dem 1. Januar 1955 geboren wurden, können online einen Blick auf ihr Pensionskonto werfen. Der Pensionskontorechner ermöglicht es, schnell einen Überblick über die zu erwartende Pension zu erhalten. Die Praxis zeigt dann häufig, dass die Ergebnisse oft ernüchternd sind. Unternehmen können hier einen wichtigen Beitrag leisten, um das Bewusstsein in der Belegschaft zu schärfen und zu zeigen, dass ihnen die Zukunft ihrer Mitarbeiter am Herzen liegt. Die Wertschätzung ist ein äußerst wirksames Motiv zur Bindung von Mitarbeitern. Mit verschiedenen Maßnahmen lässt sich heutzutage eine ausgewogene Altersvorsorge aufbauen.
Warum ist es gerade jetzt sinnvoll und vielversprechend, sich mit den Möglichkeiten einer BAV auseinanderzusetzen?
G. K.: Aufgrund der gegenwärtigen Lebensumstände suchen potenzielle Arbeitnehmer mehr als lediglich eine kollektivvertragliche Vergütung. Laut einer Einkommensstudie des österreichischen Managernetzwerks, dem Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF), erhalten 45 Prozent der Top-Manager und 56 Prozent der zweiten Führungsebene eine BAV. Damit beziehen die österreichischen Unternehmenslenker doppelt so oft eine Firmenpension wie die Allgemeinheit aller Beschäftigten. Medienberichten zufolge haben im Durchschnitt nach Angaben der Finanzmarktaufsicht in Österreich nur rund 23 Prozent der Arbeitnehmer Ansprüche auf eine BAV. Hier gilt es also, noch einiges an Wegstrecke aufzuholen und die Möglichkeiten, Mitarbeiter durch die BAV an das Unternehmen zu binden und zu motivieren, mehr zu betonen.
J. S.: Ich kann dem nur zustimmen. Obwohl der Begriff „War for Talents“ oft verwendet wird, ist er dennoch sinnvoll. Insbesondere junge Menschen erwarten ein attraktives Leistungspaket von ihren Arbeitgebern. Neben Home-Office, flexiblen Arbeitszeiten und Firmenwagen spielt auch die Gesundheits- und Altersvorsorge eine entscheidende Rolle. Es sind viele kleine Bausteine, die zusammen ein attraktives Leistungspaket bilden. Darüber hinaus gibt es noch weitere Aspekte zu beachten.
Welche sind das genau?
J. S.: In den letzten Jahren waren wir ein niedriges Zinsniveau gewohnt. Mit den Zinserhöhungen hat sich dies nun schlagartig geändert. Langfristig können wieder gute Renditen erzielt werden, was sich natürlich auch auf die Performance von Anlagen in der Altersvorsorge auswirkt. In meiner Beratungspraxis habe ich festgestellt, dass Unternehmen in den letzten Jahren aufgrund der vielfachen Krisen nicht genug Fokus auf das Thema Altersvorsorge gelegt haben. Das ist verständlich, aber wir sehen auch, dass sich das nun geändert hat und wir in diesem Bereich eine sehr starke Beratungsnachfrage wahrnehmen.
Welche konkreten Vorteile bringt die BAV den Unternehmen?
G. K.: Eine BAV geht mit steuerlichen Vorteilen einher und ermöglicht somit den Aufbau sowie die Erhaltung von Liquidität. Neben der bereits erwähnten Mitarbeiterbindung bringt die BAV auch Vorteile wie gut kalkulierbare Ausgaben durch gleichmäßige Aufwandsbelastung, die zeitversetzte Umwandlung von Betriebsvermögen in Privatvermögen, den gewinnmindernden Aufbau einer Pensionsrückstellung und die Ersparnis von Lohnnebenkosten.
J. S.: Hier besteht ein breiter Spielraum für Gestaltungsmöglichkeiten. Ein Beispiel hierfür ist die Zukunftssicherung gemäß Paragraf 3/1/15a EStG. Viele sind sich nicht bewusst, dass damit auch andere Versicherungsprodukte, wie beispielsweise eine Krebsversicherung, abgeschlossen werden können. Einige dieser Produkte können eine interessante Alternative zu Gehaltserhöhungen darstellen, da sie lohnnebenkostenfrei sind. Die Bandbreite an Möglichkeiten ist vielfältig und sie sollten auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt werden.
Und wie sieht es mit den Vorteilen für die Begünstigten aus?
G. K.: Einer der wesentlichsten Vorteile ist eindeutig die Reduktion der Einkommenslücke und eine Ergänzung zum staatlichen Pensionssystem, um den Lebensstandard in der Pensionsphase aufrecht zu halten, wobei die Finanzierung hier vom Arbeitgeber erfolgt. Eine Ausnahme stellt lediglich die Bezugsumwandlung nach Paragraf 3/1/15a EStG dar. Die Leistung ist sozialversicherungsabgabenfrei – auch hier ausgenommen die Bezugsumwandlung – und je nach Modell steuerfrei beziehungsweise hat eine aufschiebende steuerliche Wirkung.
J. S.: Die Bedeutung der Zinseszins-Effekte sollte nicht unterschätzt werden. Wenn ich einen Teil meines unversteuerten Gehalts in die Altersvorsorge investieren kann, habe ich einfach mehr Kapital zur Verfügung, das ich anlegen kann. Über die Jahre und Jahrzehnte hinweg macht dies einen enormen Unterschied im angesammelten Vermögen aus.
Welche Modelle der betrieblichen Vorsorge gibt es?
G. K.: Am stärksten wird derzeit die sogenannte direkte Leistungszusage nachgefragt, die für Gesellschafter-Geschäftsführer selbst oder leitende Mitarbeiter eine ideale Vorsorge darstellt. Zudem bieten wir das Modell der Betrieblichen Kollektivversicherung, das Versicherungspendant zur Pensionskasse, an. Hier handelt es sich um eine Gruppenrentenversicherung mit garantierter Rentenleistung. Die Zukunftssicherung nach Paragraf 3/1/15a EStG und die Vorsorgemöglichkeit für die Abfertigung Alt ergänzen das Angebot unseres Hauses.
J. S.: In diesem Bereich hat es in den letzten Jahren bedeutende Entwicklungen gegeben. Ein Beispiel ist die AFRAC-Stellungnahme zu Personalrückstellungen. Bei gut formulierten beitragsorientierten Pensionszusagen, im Sinne von direkten Leistungszusagen, entfällt die Verpflichtung zur Bildung einer unternehmensrechtlichen Rückstellung. Die Prämie wird vollständig als Aufwand verbucht. Steuerlich ist jedoch weiterhin eine Mehr-Weniger-Rechnung erforderlich. Die direkte Leistungszusage ist auch für nicht lohnsteuerpflichtige Gesellschafter-Geschäftsführer attraktiv, da sie ab dem 60. Lebensjahr bei Beendigung ihrer Erwerbstätigkeit einen Hälftesteuersatz für eine Pensionsabfindung erhalten können. Es ist jedoch wichtig, die Details genau zu berücksichtigen, da der Teufel oft im Detail steckt.
Die Abfertigung Alt beschäftigt viele Unternehmen, vor allem, wenn ein Schwung an Mitarbeitern, die von dieser Regelung betroffen sind, in Pension geht. Was raten Sie hier?
G. K.: Für jeden Mitarbeiter, der vor dem 1. Jänner 2003 in ein Unternehmen eingetreten ist, gilt die Abfertigung Alt. Diese Abfertigungszahlung wird fällig, wenn jemand aus dem Unternehmen ausscheidet, in Pension geht, bei Ableben versorgungspflichtige Hinterbliebene hinterlässt oder ein Betrieb liquidiert wird. Wir empfehlen Unternehmen, für dieses Auszahlungsvolumen entsprechend vorzusorgen.
J. S.: Dieses Thema besteht eigentlich schon seit über 20 Jahren. Mich überrascht es, wie oft ich immer noch Jahresabschlüsse entdecke, in denen die Abfertigung Alt entweder nicht rückgestellt oder nicht rückgedeckt wurde. Obwohl es keine gesetzliche Verpflichtung mehr gibt, für die Abfertigung Alt durch Wertpapiere oder Rückdeckungsversicherungen vorzusorgen, stellt dies in vielen Fällen eine bedeutende finanzielle Belastung dar. Das kann ein Unternehmen schnell in Bedrängnis bringen, wenn dieses Thema übersehen wird. Ich möchte auch vor potenziellen Finanzierungslücken warnen. Konkret: Wurden die Gehaltserhöhungen der letzten Jahre bei der Vorsorge berücksichtigt? Gab es einen Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit? Es gibt also eine Reihe von Gründen, sich dem Thema BAV stärker zu widmen.