Tiffany Wilding, Ökonomin, und Andrew Balls, Investmentchef für globale Anleihen bei PIMCO, analysieren im aktuellen Konjunktur- und Marktausblick für 2025 die Folgen des politischen Wandels in den USA für die Weltwirtschaft im Jahr 2025 und die möglichen Auswirkungen auf die Kapitalmärkte. Das größte Risiko sehen sie nicht in einzelnen Zollerhöhungen gegenüber China oder anderen Handelspartnern. Vielmehr erwarten die beiden PIMCO-Experten eine umfassendere und aggressivere Handelspolitik der USA als Ausgleich zu Handels- und Haushaltsdefizite. „Diese Politik könnte zu ökonomischen Verwerfungen, kurzfristigen Währungsschwankungen und einer schwächeren Entwicklung der US-Aktienmärkte beitragen.“
GLOBALE UNGLEICHGEWICHTE
Ein rückläufiges verarbeitendes Gewerbe in Ländern außerhalb der USA ist laut der Experten notwendig, um die globalen Handelsungleichgewichte auszugleichen. Die Konsequenz, so Wilding und Balls: „Abwärtsrisiken für das Wachstum außerhalb der USA, insbesondere in Ländern mit hohem Welthandelsanteil und anhaltenden Überschüssen im bilateralen Handel mit den USA.“ Gleichzeitig erwarten sie durch die politische Entwicklung steigende kurzfristige Inflationsrisiken in den USA.
Konkrete Maßnahmen könnten universelle Zölle oder Steuern auf ausländische Direktinvestitionen sein. Entscheidend für das Ausmaß der Maßnahmen ist laut PIMCO die Toleranz von US-Präsident Trump gegenüber Schwankungen an den US-Aktienmärkten.
PIMCO erwartet für 2025 und 2026 ein anhaltend hohes Netto-Haushaltsdefizit der USA von sechs bis sieben Prozent. Besonders beunruhigend ist für die Experten die wahrscheinliche Verlängerung der Steuersenkungen des „Tax Cuts and Jobs Act“ sowie zusätzliche Entlastungen, die das Defizit weiter in die Höhe treiben könnten. Zu den möglichen Gegenmaßnahmen heißt es: „Möglichkeiten zur schrittweisen Reduzierung sehen wir unter anderem in der Rücknahme bestimmter Maßnahmen der Biden-Regierung – wie Investitionskredite für erneuerbare Energien und andere Elemente des Inflation Reduction Act von 2022 – sowie Kürzungen beim staatlichen Gesundheitsprogramm Medicaid.“
ANLAGECHANCEN
Wilding und Balls erwarten aufgrund von Inflationsrisiken, dass die Fed „zumindest zunächst weniger Zinssenkungen vornimmt als erwartet“. In anderen Industrieländern rechnen sie mit weiteren Zinssenkungen, da sich die Inflation den Zielwerten annähert.
An den Kapitalmärkten beobachten die PIMCO-Experten trotz erhöhter geopolitischer Unsicherheiten viel Optimismus, der sich in der Stärke des US-Aktienmarkts zeigt. Für Aktien sehen Wilding und Balls jedoch begrenzt weiteres Kurspotenzial. Attraktiver erscheinen Anleihen: „Für attraktive Erträge entsprechend ihrer Anfangsrendite genügt es, wenn Anleihen ihren historischen Trend fortsetzen.“ Sie erwarten zudem, dass sinkende Leitzinsen Anleihen stützen und in ungünstigen Marktphasen zusätzliche Kursgewinne ermöglichen könnten. Dies stärke die Rolle von Anleihen zur Diversifikation und Stabilisierung von Portfolios.
Besonders interessant sind laut Wilding und Balls qualitativ hochwertige Anleihen mit Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren. Sie sehen hier Potenzial für eine mittelfristige Abflachung der Renditekurve im Bereich längerer Laufzeiten, trotz eines langfristigen Anstiegs der Laufzeitprämie. Bei Unternehmensanleihen bevorzugen sie angesichts enger Spreads ebenfalls Qualität im Investment-Grade-Bereich, sehen aber auch Hypothekenbesicherte Wertpapiere (MBS) als attraktive Alternative.
Angesichts globaler Konjunkturrisiken setzen Wilding und Balls auf regionale Diversifikation: „Schwellenländer-, Auslands- und Devisenanleihen bieten angemessenes Renditepotenzial und verringern die US-Kreditabhängigkeit. Diese Märkte preisen höhere Abwärtsrisiken ein als US-Aktien oder -Anleihen.“ Sie sehen außerdem Chancen in der Nutzung struktureller Ineffizienzen. „Da viele Anleger bevorzugt im Inland investieren, entstehen Marktverzerrungen. Diese nutzen wir für gezielte Investments in den wachsenden Nicht-US-Märkten.“
UNSICHERHEIT BLEIBT HOCH
Der Wechsel in der politischen Führungsetage der USA erhöht die globale wirtschaftliche Unsicherheit im Jahr 2025. Die protektionistischen Vorschläge der neuen Regierung haben das Potenzial, die Handelsbeziehungen neu zu gestalten und die wirtschaftliche Dynamik weltweit zu verändern. Da die tatsächlichen politischen Maßnahmen und ihre Auswirkungen noch ungewiss sind, sehen wir eine breite Palette möglicher Ergebnisse. Hier sind unsere kurzfristigen Einschätzungen zu Wirtschaft und Konjunktur:
Unsicherheit ist sicher: Die vorgeschlagenen politischen Weichenstellungen in den USA haben das Spektrum potenzieller Wachstumsszenarien erweitert. Die Inflationsrisiken in den USA und die Rezessionsrisiken in vielen anderen Volkswirtschaften haben zugenommen. Unser Basisszenario: Wir gehen von ökonomisch verkraftbaren US-Zollerhöhungen gegen China und andere Handelspartner aus. Energischere Anstrengungen zur Beseitigung der seit Langem bestehenden Handelsungleichgewichte könnten jedoch die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte stören. In den Industrieländern gehen wir davon aus, dass sich die Inflation weiter in Richtung der Zielniveaus bewegen wird, was es den Zentralbanken der Industrieländer ermöglichen sollte, die Leitzinsen weiter zu senken. Anpassungen des Preisniveaus aufgrund höherer Zölle könnten jedoch weitere diesbezügliche Fortschritte verzögern, insbesondere in den USA. Eine größere politische Unsicherheit inmitten einer insgesamt starken US-Wirtschaft spricht für einen schrittweisen, datengestützten Ansatz.
Während sich die Bandbreite der potenziellen Ergebnisse in beide Richtungen erweitert hat – von positiveren Aufwärtsbewegungen bis hinzu düstereren Abwärtsbewegungen –, basieren risikoreiche US-Assets zunehmend auf optimistischen Szenarien. Getragen von der Erwartung niedrigerer Steuern und gelockerter regulatorischer Vorschriften, haben US-Aktien neue Höhen erklommen, während die Kredit-Spreads in der Nähe der Rekordtiefs liegen. Obwohl sich diese Dynamik fortsetzen könnte, zeigt die Geschichte, dass der Spielraum für weitere nachhaltige Gewinne bei den aktuellen Bewertungen begrenzt ist. Im Gegensatz dazu bieten Anleihen sowohl kurzfristig als auch längerfristig attraktive Chancen. Hier ist unser Fazit für Investments:
Anleihen sind besser positioniert: Anleihen werden im Jahr 2025 eine entscheidende Rolle in den Portfolios spielen. Wir glauben, dass die Anleihenrenditen in einer Zeit, in der Aktienbewertungen und Kredit-Spreads nicht überzeugen können, attraktiv sind, was qualitativ hochwertigen festverzinslichen Wertpapieren eine günstige Ausgangsbasis bietet. Im Gegensatz zu Cash und Geldmarktinstrumenten dürften Anleihen von einem Kapitalzuwachs profitieren, wenn die Leitzinsen fallen, was die Rolle von Anleihen als Quelle zur Diversifizierung und als Stabilisator für das Aktienengagement in Portfolios stärkt.
Verwenden Sie den Relative Value als Richtlinie: Das Ausloten von Investments in verschiedenen Märkten bietet breitere Handlungsperspektiven. Hohe US-Defizite und unterschiedliche globale Konjunkturpfade verbessern die bereits attraktiven globalen Optionen zur Diversifizierung. Das Aufdecken innovativer, struktureller Renditequellen kann auch die Abhängigkeit von gebündelten Wetten im Zusammenhang mit Wirtschaftswachstum oder Zinssätzen verringern.
Vor diesem Hintergrund sehen wir vielversprechende Chancen für festverzinsliche Wertpapiere in den USA und anderen Industrieländern, insbesondere in Großbritannien und Australien, sowie in ausgewählten Schwellenländern. Darüber hinaus bevorzugen wir mit Hypotheken besicherte Wertpapiere und vermögensbasierte Anlagen gegenüber anderen Kreditsektoren sowohl an den öffentlichen als auch an den privaten Märkten.
In unserem Ausblick vom Oktober 2024 mit dem Titel „Sanfte Landung voraus“ sagten wir, dass die US-Wirtschaft, wie auch andere Volkswirtschaften, auf eine seltene sanfte Landung vorbereitet zu sein scheint – also auf eine Abschwächung des Wachstums und der Inflation ohne Rezession zusteuert. Wir sagten, dass die Volkswirtschaften der Industrieländer auf dem besten Weg seien, im Jahr 2025 wieder das angestrebte Inflationsniveau zu erreichen. Wir sahen Risiken im Zusammenhang mit den US-Wahlen und einer anhaltend hohen Staatsverschuldung.
Die Grundzüge dieser Prognose bleiben bestehen. Wir gehen davon aus, dass sich das Wachstum des globalen realen BIP leicht verlangsamen wird. Weniger Einwanderung und höhere Zölle dürften das US-Wachstum trotz einer ansonsten robusten Wirtschaft dämpfen. Unterdessen hinkt Europa mit einer unterdurchschnittlichen Entwicklung der Wirtschaftsleistung weiterhin hinterher.
Chinas Wirtschaftsaussichten sind nach wie vor prekär, da die Wachstums- und Inflationsrisiken aufgrund der nach wie vor vorsichtigen fiskalischen Unterstützung, des Schuldenabbaus im Immobiliensektor, der zu einer anämischen Kreditnachfrage des privaten Sektors, hohen Realzinsen und überschüssigen Produktionskapazitäten beigetragen hat, größer geworden sind. Trotz eines anhaltenden Abschwungs im Immobiliensektor hielt China an seinem Wachstumsziel von fünf Prozent im Jahr 2024 fest, das durch eine Expansion im produzierenden Gewerbe – insbesondere in den Bereichen Halbleiter und Technologie – sowie durch Investitionen in Infrastruktur und ein Exportwachstum unterstützt wurde.
Dieses Wachstumsmodell gerät jedoch unter dem Gewicht der eskalierenden Handelsspannungen, eines nur schleppenden privaten Verbrauchs und eines längerfristigen Rückgangs des Bevölkerungs- und Produktivitätswachstums ins Wanken. Die Zentralregierung dürfte das Wachstumsziel für 2025 auf rund 4,5 Prozent senken, wobei die Kerninflation wahrscheinlich gedämpft bleiben dürfte. Diese Erwartung beinhaltet bereits, dass ein Konjunkturpaket in Höhe von rund 1,5 Billionen chinesischen Yuan (1,0 bis 1,5 Prozent des BIP) erforderlich sein wird, um den Konsum im kommenden Jahr anzukurbeln.
Die Aussichten für eine allmähliche Annäherung der Inflation an die Ziele der Zentralbanken in den Industrieländern sind nach wie vor intakt, auch wenn höhere US-Zölle diesen Prozess verzögern könnten. Weniger angespannte Arbeitsmärkte und eine rückläufige Inflation dürften es den Zentralbanken der Industrieländer ermöglichen, die Zinsen weiter zu senken. Wir rechnen je nach Region mit Zinssenkungen der Industrieländer-Zentralbanken um 50 bis 150 Basispunkte im Jahr 2025.
Die Bank of Japan (BOJ) bleibt die Ausnahme. Wir gehen davon aus, dass die BOJ die Zinsen um 50 Basispunkte anheben wird, da höhere Inflationserwartungen die Kerninflation trotz der Währungsvolatilität stützen.
RISIKEN
Die US-Wahlen haben das Spektrum der möglichen konjunkturellen Szenarien erweitert. Unser Basisszenario geht von ökonomisch überschaubaren US-Zollerhöhungen gegenüber China und anderen Handelspartnern aus, während die Steuer-, Ausgaben- und Handelspolitik die Netto-Haushaltsdefizite der USA bis 2025 und 2026 unverändert bei etwa sechs bis sieben Prozent belassen – einem Wert mit stärker limitierten ökonomischen Auswirkungen.
Es besteht jedoch das Risiko, dass die neue Regierung eine aggressivere Politik verfolgt, um die anhaltenden Handels- und Haushaltsdefizite anzugehen – eine Politik, die nach Ansicht der Regierung im Lauf der Zeit zu einem nachhaltigeren und gerechteren US-Wachstum führen wird. Um eine bedeutende Veränderung der globalen Handelsungleichgewichte zu erreichen, müssten sich schon die globalen Spar- und Investitionsmuster ändern, wodurch der Anteil des Konsums am BIP der USA und der Anteil des verarbeitenden Gewerbes in anderen Ländern (zum Beispiel China) reduziert würde.