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„Bei der Entwicklung von KI-Modellen ist Transparenz wichtig“

Januar 2025
Nachhaltigkeitsthemen wie zum Beispiel Klimastrategien standen auf der Agenda der jüngsten Japan-Reise. Über die Ergebnisse berichtet Mathias Pianowski, Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei der Ökoworld AG. Indes profitierte der Fondsanbieter von Kurszuwächsen an den US-Börsen. Über die Hintergründe und warum die Anlageschwerpunkte im Energiebereich verschoben wurden, informiert Nedim Kaplan, Leiter Portfoliomanagement.
Ökoworld
Nedim Kaplan und Mathias Pianowski, Ökoworld

FONDS exklusiv: Herr Pianowski, Sie waren kürzlich in Japan unterwegs, um Unternehmen vor Ort aufzusuchen. Was war der Anlass für diese Reise?
Mathias Pianowski:
Unser Nachhaltigkeits-Analyst Dr. Marco Hasselkuß, unser Vorstand Torsten Müller und ich haben 20 Unternehmen vor Ort in Japan besucht. Darunter Unternehmen, die sich bereits in unserem Anlageuniversum befinden oder die wir gern aufnehmen möchten. Mit dem ausschließlichen Fokus auf Nachhaltigkeitsaspekte wollten wir die Verantwortungsträger und Geschäftsmodelle aus der Nähe kennenlernen, unsere Rechercheergebnisse überprüfen, Kontroversen klären, mehr über Technologien und Märkte lernen sowie Netzwerke knüpfen. Unternehmen wollen zudem zunehmend wissen, was wir von ihnen in der Berichterstattung erwarten. Nicht zuletzt bringen wir aktiv Themen vor, wo wir in der Unternehmensleistung mehr erwarten, diesmal etwa zu Klima-strategien und Chancengleichheit. Die japanische Kultur ist ja immer noch sehr traditionell. Wir haben erfahren, wie enorm wichtig das Aufbauen der persönlichen Beziehungen gerade in Japan ist. Im Nachgang merken wir jetzt schon, wie sich durch das Gewinnen von Vertrauen unsere Arbeit aus Deutschland heraus vereinfacht.

Können Sie Unternehmensbeispiele nennen?
M. P.: Gern. Wir haben Olympus besucht, die heute keine Kameras mehr bauen, sondern bildgebende Medizintechnik für Endoskopie und minimalinvasive Chirurgie. Solch ein Umbauen von Geschäftsmodellen lassen wir uns gern persönlich erläutern. Daneben ging es um Kennzahlen, die wir benötigen und auch erhalten haben. Beim Unternehmen Kurita hat uns der neue Innovation-Hub beeindruckt, und wir konnten uns über konkrete Technologien informieren. Der Weltmarktführer in der industriellen Wasseraufbereitung entwickelt dort gemeinsam mit Kunden marktgängige Lösungen, die dringend gebraucht werden, um die Ressource Wasser weltweit besser zu schützen. Dies passt natürlich hervorragend zur Ökoworld. So justieren wir auch, was wir von anderen Unternehmen erwarten könnten.

Gab es ein Unternehmen, das Sie besucht und in das Sie gern investiert hätten, wo Ihre strengen Ausschlusskriterien dies aber nicht zuließen?
M. P.: Ja, zum Beispiel hat uns ein Unternehmen gefallen, das Mess- und Analysegeräte herstellt und entsprechende Ingenieurs- und Beratungsdienstleistungen anbietet. Das Unternehmen unterstützt Kunden leider auch dabei, Fahrgestelle und Bremsen für Militärfahrzeuge zu entwickeln. Was genau da gemacht wird, konnten wir nur vor Ort verstehen. Ein Hersteller von grünem Tee setzt umfangreich Pestizide ein und konnte keine Ausstiegsstrategie vorlegen. Das Unternehmen hatte darüber nicht berichtet, sodass wir fragen mussten. Solche Titel sind für uns nicht investierbar, obwohl die fundamentalen Daten sehr überzeugend sind.

Wie wird Japan vonseiten des Asset Managements eingeordnet, Herr Kaplan?
Nedim Kaplan:
Etwa alle zwei Jahre bin ich vor Ort und muss feststellen, dass das Land eine beachtliche Entwicklung durchgemacht hat. Anders als heute stand Sustainability dort vor zehn Jahren überhaupt nicht auf der Agenda. Entsprechend gut hat sich die Kommunikation auch in diesem Bereich entwickelt, was sich positiv auf die Kapitalkosten und damit auf die Aktienkurse auswirkt.

Wie stark ist Ökoworld in Japan investiert?
N. K.:
Unseren Japan-Anteil haben wir im Ökovision Classic gegenüber 2023 auf etwa fünf Prozent halbiert. In noch stärkerem Umfang haben wir unsere Engagements in Europa verringert. Beides geschah mit dem Ziel, den USA-Anteil auf etwa 65 Prozent anzuheben, um von den im Zuge der Präsidentschaftswahlen zu erwartenden positiven Effekten im Rahmen unserer Engagements und unseres Anlageuniversums zu profitieren. 

Sie haben auf einen Wahlsieg von Donald Trump gesetzt?
N. K.:
Nein, wir sind davon ausgegangen, dass die Kurse an den US-Börsen nach der Wahl steigen werden. Denn beide Kandidaten haben sich mit Wahlgeschenken nicht zurückgehalten. Hinzu kommt, dass die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten deutlich stärker wächst als etwa in Europa und sich diese Entwicklung in den Wochen vor der Wahl verfestigt hat, sodass wir unsere Allokation, wie beschrieben, bereits im Vorfeld angepasst haben. Dadurch konnten wir von den Kurszuwächsen profitieren, die wir nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten gesehen haben.

Gleichzeitig will Trump die Ölförderung ausweiten und aus dem Pariser Klimaabkommen austreten.
N. K.:
Richtig, das haben wir als Ökoworld auch öffentlich deutlich kritisiert. Nur finden wir in den USA auch jenseits der Energie- und Rüstungsbranche eine Vielzahl wettbewerbsfähiger, bestens aufgestellter Unternehmen gerade in den Sektoren Medizintechnik, Technologie und Gesundheit. Allein die von Trump angekündigten Steuervergünstigungen führen auch bei Small- und Midcaps zu Verbesserungen beim Gewinn pro Aktie von bis zu 15 Prozent. 

Welche Rolle spielen Erneuerbare Energien heute in Ihren Fonds angesichts der sich verschärfenden Klimakrise?
N. K.:
Das Thema ist für uns nach wie vor eine absolute Herzensangelegenheit. Aber wir haben uns derzeit aus ökonomischen Gründen im Portfoliomanagement weitestgehend aus diesem Sektor zurückgezogen. So führen beispielsweise im Bereich Solarenergie massive Überkapazitäten bei Wechselrichtern zu einem erheblichen Preisverfall. Vor den Folgen solcher disruptiven Entwicklungen wollen wir unsere Anleger schützen. Deshalb setzen wir gerade auch beim Ökoworld Klima stärker auf die Themenbereiche Energieeffizienz, Halbleiter, Cybersicherheit, Software und Kreislaufwirtschaft. Im Ergebnis erzielen wir für unsere Anleger so eine deutliche Outperformance gegenüber Klima-ETFs, die stark in Erneuerbare Energien investiert sind.

Stichwort Disruption. Wie gehen Sie mit dem Thema Künstliche Intelligenz um?
N. K.:
KI hält in nahezu jedem Wirtschaftsbereich Einzug. Für uns als Asset-Manager ist es entscheidend, ob es Unternehmen gelingt, die Chancen durch KI zu nutzen oder ob ihr Geschäftsmodell durch die Entwicklungen gefährdet wird. Deshalb müssen wir als aktiver Fondsmanager selektiv vorgehen und uns auch fundamental mit den Entwicklungen auseinandersetzen.

Haben Sie ein konkretes Beispiel?
N. K.:
Ja, aus dem Bildungssektor. Während die US-Gesellschaft Chegg Gefahr läuft, dass ihr klassisches Geschäftsmodell, das vor allem auf Hilfestellungen für Studierende in Form von Hausaufgabenlösungen und Tutorien basiert, durch KI-Anwendungen überflüssig wird, hat es der US-Anbieter duolingo geschafft, KI-Anwendungen erfolgreich zu integrieren. Das Unternehmen bietet eine im ersten Schritt kostenlose App an, die es dem Nutzer ermöglicht, auf intuitive und spielerische Weise Sprachen zu erlernen. Gegen ein Entgelt lässt sich das Ziel personalisiert auf Basis adaptiver Lernalgorithmen erreichen. Dann spricht der Nutzer quasi mit seinem Privatlehrer in Form einer App.

Wie fällt der Blick auf KI durch die Nachhaltigkeitsbrille aus?
M. P.:
KI bietet auf der einen Seite Lösungen für smarte Technologien, Geschäftsmodelle und Produkte, die wir zum Beispiel in der nachhaltigen Energie- und Wasserwirtschaft benötigen. Auf der anderen Seite führt KI zu Herausforderungen. Ökologische Probleme wie der Energie- und Ressourcenhunger sind vergleichsweise gut in der Literatur untersucht und uns bekannt. Wir stellen uns aber permanent die Frage, welche Anforderungen wir eigentlich an KI-Policies von Unternehmen im sozialen Bereich stellen – hier sind wir streng hinsichtlich Datensicherheit und Datenschutz, also hinsichtlich der Wahrung von Persönlichkeitsrechten und entsprechenden Voreinstellungen in der Software beim Nutzer. Menschen müssen grundsätzlich die Kontrolle über die Technik behalten. Auch gibt es weit mehr Diskriminierungen und Verzerrungen durch KI-Modelle, als wir uns gemeinhin vorstellen. Transparenz in der Entwicklung ist daher ebenfalls wichtig –
längst nicht überall, wo „Open AI“ draufsteht, stimmt das auch.