Eine Welt ohne Digitalisierung ist kaum noch vorstellbar. Sie verändert inzwischen sämtliche Bereiche des Alltags, einerlei, ob in der Kommunikation, dem Handel oder in der Finanzwelt. Aktuelle Zahlen des Datenportals Statista untermauern die Geschwindigkeit der Entwicklungen: So lag etwa im Jahr 2012 das digitale Datenaufkommen bei 6,5 Zettabytes (ein Zettabyte entspricht einer Billion Gigabytes). Acht Jahre danach kletterte die Menge bereits auf 64,2 Zettabytes. Bis zum Jahr 2025 könnten es letztendlich 181 Zettabytes werden, so die Prognose.
Am weitesten fortgeschritten ist die Digitalisierung in Dänemark, den USA und Schweden. Dies geht aus dem „IMD World Digital Competitiveness Ranking 2022“ der privaten Schweizer Wirtschaftsuniversität, dem International Institute for Management Development, hervor. Österreich belegt darin übrigens Platz 18. Doch worum geht es bei der jährlichen Erhebung eigentlich? Hierbei werden 63 Länder weltweit danach bewertet, wie rasch und erfolgreich digitale Technologien eingeführt bzw. erforscht werden, um damit entsprechenden den Wandel in Gesellschaft und Wirtschaft zu forcieren.
Auch im Private Banking setzen die Finanzexperten für vermögende Kunden längst auf virtuelle Kanäle als Teil ihrer Geschäftsmodelle, wie Top-Privatbanker gegenüber FONDS exklusiv aufzeigen. Robert Löw, Vorstandsvorsitzender der Liechtensteinische Landesbank Österreich (LLB Oe), wirft einen Blick zurück auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre und sagt: „Die Digitalisierung war, neben dem Thema Nachhaltigkeit, bereits vor Ausbruch der Pandemie das oberste strategische Ziel der LLB-Gruppe im Rahmen der Unternehmensstrategie.“
Ähnlich lautet der Tenor in anderen Häusern. Helmut Siegler, Vorstandsvorsitzender der Schoellerbank, verweist in diesem Zusammenhang auf die Multikanal-Services im Wealth Management, allen voran im Onlinebereich und dem Business Banking. Solche Zugangsmöglichkeiten habe es bereits vor den ersten Lockdowns gegeben, zu denen unter anderem die Videoberatung zählt. Auch Markus Plank, Leiter Private Banking/Wertpapierkompetenzzentrum, Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien (RLB NÖ-Wien), meint: „Digitale Produkte sind aus dem Bankgeschäft nicht mehr wegzudenken und das nicht erst seit der Pandemie.“ Aufgrund der Kontaktbeschränkungen wurde die Digitalisierung während der Lockdowns jedoch beschleunigt, vor allem die Akzeptanz dafür wurde nachhaltig positiv beeinflusst, konstatiert Plank.
Pandemie beschleunigt die Transformation
Löw von der LLB Oe verweist dennoch auch auf Aspekte während der Pandemie und meint: „Wo man während dieser Zeit eine ganz besondere Beschleunigung der digitalen Transformation beobachten konnte, war in der internen Zusammenarbeit und Kommunikation, vor allem mit Kollegen und Kooperationspartnern, aber ebenso mit Kunden.“ Doch in welchen Geschäftsbereichen setzt sich die Digitalisierung zunehmend durch? Auch hierzu liefert Löw eine klare Antwort und verweist in diesem Zusammenhang etwa auf das klassische Bankgeschäft mit Online-Überweisungen und Wertpapieraufträgen. Solche Tätigkeiten erfordern freilich nicht unbedingt eine Beratung.
Die Digitalisierung schreitet dem langjährigen Privatbanker zufolge auch im Vermögensmanagement und der -analyse schrittweise voran. Konkrete Beispiele gibt es ebenso. Das Bankhaus Spängler ist bereits seit mehreren Jahren mit dem Online-Roboadvisor „Carl“ tätig. Ab 30.000 Euro wird das Vermögen ausschließlich über ETFs weltweit breit gestreut, wobei hier auf das persönliche Risikoprofil Rücksicht genommen wird, genauso wie auch bei der digitalen nachhaltigen Vermögensverwaltung „WILL“ der RLB NÖ-Wien. Anleger können hier schon ab 10.000 Euro einsteigen. Die „WILL“-Portfolios veranlagen sowohl mittels ETFs von iShares als auch mittels aktiv gemanagter Fonds der Raiffeisen KAG in globale Aktien- und Anleihemärkte.
Damit wird schnell klar: Die virtuelle Veranlagungsschiene gewinnt selbst im Geschäft mit Vermögenden an Fahrt. Plank konstatiert in diesem Zusammenhang: „Das beratungsfreie Wertpapiergeschäft hat zugenommen. Das Angebot ist, nicht zuletzt aufgrund von FinTechs, enorm gestiegen und der Kauf von Wertpapieren via Smartphone einfach zu handhaben.“ Der Raiffeisenbanker mahnt jedoch auch, dass dies nur für erfahrene Anleger eine Option darstellen sollte.
der vermögensverwalter bleibt auch in zukunft gefragt
Damit werden auch die Grenzen der Digitalisierung sichtbar. Denn nicht in allen Belangen kann ein Computerprogramm den Menschen ersetzen – ein Aspekt, der insbesondere in schwierigen Marktzeiten zu tragen kommen kann. Siegler von der Schoellerbank meint: „Vor allem in solchen Phasen sollten vorschnelle emotionale Verkäufe vermieden werden. Ein Vermögensverwalter hilft, den notwendigen Abstand zu gewinnen.“
Letztendlich sollte ein Berater besonders in hitzigen Marktphasen einen kühlen Kopf bewahren und dabei helfen, logische und rationale Entscheidungen zu treffen sowie bei der vereinbarten Strategie zu bleiben, heißt es weiters. „In den vergangenen drei Jahrzehnten konnten wir Kunden damit noch in jeder Krise vor vermögensvernichtenden Fehltritten bewahren.“ Freilich, solch eine Eigenschaft könnte im aktuell eingetrübten Börsenumfeld einmal mehr besonders gefragt sein.
Für Siegler gibt es noch weitere Gründe, weshalb der Faktor Mensch nicht gänzlich ersetzt werden sollte: „Im aktuellen Anlageumfeld und aufgrund der heutigen einfachen Verfügbarkeit von zahlreichen Informationen, ist die Funktion eines seriösen Wealth-Managers als Wegweiser durch den Angebots- und Informationsdschungel gefragter denn je.“ Oftmals seien verfügbare Informationen widersprüchlich bzw. nicht gänzlich objektiv. Beim Herausfiltern des Relevanten und dem Aussortieren widersprüchlicher Daten könne ein Vermögensverwalter wertvolle Dienste leisten. So lasse sich eine fundierte Entscheidung nur treffen, wenn diese auf relevanten Angaben basiert. Ein guter Vermögensverwalter spare somit auch Zeit und Nerven.
Doch wie sieht die Kundenschicht eigentlich aus, die zunehmend auf digitale Angebote zurückgreift? Schließlich wird meist jungen Menschen eine hohe Affinität zur virtuellen Welt nachgesagt. Bei der RLB NÖ-Wien ortet man dennoch über alle Altersgruppen hinweg eine große Nachfrage, wie Plank hervorhebt.
Digitales Banking – eine Frage des Alters?
Eine gewisse Grenze nach oben hin stellt hingegen Löw von der LLB Oe fest. Er verweist auf Statistiken in diesem Zusammenhang und sagt: „Die ‚magische‘ Jahreszahl ist 60 Jahre. Die Computerisierung begann Anfang der 1980er Jahre mit der EDV-Ausbildung junger Menschen, die digitalen Innovationen offener gegenüberstanden.“ Sie sei bei unter 40-jährigen stärker ausgeprägt und bei „Digital Natives“ unter 30 Jahren sehr hoch. Vor allem bei Kunden ab 70 Jahren nehme die Bereitschaft hingegen deutlich ab.
Alles in Allem ist die Digitalisierung auch im Private Banking nicht mehr aufzuhalten. Im Gegenteil: Ihr Einsatz eröffnet den Bankhäusern ebenso wie ihren Kunden zahlreiche Vorteile. Der Vermögensverwalter wird dennoch auch in Zukunft eine zentrale Rolle im Private Banking behalten.