Die Digitalisierung ist allgegenwärtig, sei es in Produktionsabläufen oder in administrativen Prozessen. Das gilt auch für den Bankensektor, dort allerdings mit reichlich Luft nach oben, wie eine Untersuchung vom Frühjahr 2023 des deutschen Beratungsinstituts zeb zeigt. Deren „Robotic Process Automation“-Studie hat die Digitalisierungstrends in Deutschland, Österreich und der Schweiz – der „DACH“-Region – für den Bankensektor näher durchleuchtet.
Demnach setzen derzeit erst 63 Prozent der Banken im DACH-Raum auf die Automatisierung von (Teil-)Prozessen. Aufgeschlüsselt liegt der Anteil der Automatisierung bei Privat- (86 Prozent) bzw. Großbanken (83 Prozent) deutlich höher als bei Sparkassen, wo er lediglich 35 Prozent erreicht. Freilich, die Ergebnisse können regional abweichen.
Die Anwendungsbereiche sind breit gefasst. Die Automatisierung – auch „Robotic Process Automation“ (RPA) genannt – reicht der zeb-Studie zufolge von Teilprozessen bis hin zur Gesamtstrategie der Finanzinstitute. Dabei habe sich gezeigt, dass sich viele kleine Prozesse bereits innerhalb vier Wochen digitalisieren ließen und sich binnen eines Jahres rentieren würden. Einzig, dass die Transformation nicht rascher vorangehe, wird unter anderem auf den Mangel an IT-Fachkräften in der Branche zurückgeführt.
Welche Rolle nimmt die Digitalisierung vor diesem Hintergrund im heimischen Private-Banking-Sektor ein? FONDS exklusiv hat sich bei renommierten Adressen umgehört und nachgefragt, welche Aktivitäten derzeit auf der Agenda stehen. Erich Stadlberger, Leiter Private Banking & Asset Management bei der Oberbank, verweist auf das breite Spektrum, das mit der Digitalisierung inzwischen abgedeckt wird. Dies beginne nicht erst am „Point of Sale“. Die internen Analyseprozesse sowie die Dokumentation der rechtlich erforderlichen Daten seien ein wesentlicher Bestandteil der digitalen Wertschöpfungskette. Das Angebot dabei sinnvoll zu erweitern, sei quasi ein „Dauerauftrag“. Einzig, nicht alles, das technisch möglich ist, ergebe letztendlich Sinn bzw. führe zwangsläufig zu hohen Nutzerzahlen. Es gelte deshalb zu differenzieren: „Am ehesten geht es in Richtung einer erweiterten Informationsdarstellung von Depots und Positionen. Die Abwicklung von Wertpapieraufträgen an den internationalen Börsen ist seit vielen Jahren hingegen Standard. Da gibt es kaum neue Wünsche“, konstatiert Stadlberger.
VORTEILE DURCH DIGITALISIERUNG
Auch für die Kunden hat die Digitalisierung freilich Vorteile. „Durch die Digitalisierung gewinnen Kunden im Alltag an Flexibilität. Sie können bequem, zeitsparend, sicher und ortsunabhängig den Überblick behalten und ihre Finanzen managen sowie Vermögensdispositionen vornehmen“, sagt Markus Plank, Leiter Wertpapier Center und Private Banking, Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien (RLB NÖ-Wien).
Längst beschränke sich die digitale Affinität nicht nur auf die junge Generation. Nahezu alle Kunden nutzten auch die digitalen Services: „Eine von uns durchgeführte Kunden-Umfrage zeigt, dass die Akzeptanz unseres Online-Bankings bzw. die Nachfrage nach unserem Online-Angebot in allen Altersgruppen stark gestiegen ist und nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie nachhaltig beschleunigt wurde“, konstatiert Plank. Den Trend beobachten auch andere Top-Privatbanker. „Es gibt nur noch sehr wenige Kunden, die gänzlich darauf verzichten“, ergänzt Maximilian Clary und Aldringen, Leitung Private Banking der Erste Bank.
Es sei mittlerweile sogar Standard, das gesamte Bankgeschäft im Privatkundensegment online abwickeln zu können, meint Nikolaus Juhasz, Vorstandsmitglied BKS Bank. Darauf hat das Unternehmen freilich längst reagiert: „Neben einer breiten Produktpalette, die online abgeschlossen werden kann, unterliegt das klassische Mobile-Banking einer ständigen Erweiterung“, erläutert Juhasz und verweist auf konkrete Beispiele, so etwa auf den Start des Finanzplaners. Über die BKS-App können Kunden mit dieser Anwendung ihre Einnahmen und Ausgaben analysieren. „Aktuell arbeiten wir an einer Weiterentwicklung des Performance-Reportings und der digitalen Legitimierung von Verträgen“, nennt der Experte ergänzend geplante Neuerungen.
Die Digitalisierung hilft, Papier und Zeit einzusparen. Bei der Erste Bank können Kunden mit dem Onlinebanking „George“ praktisch alle Dokumente unterschreiben. „So können beispielsweise neue Konten eröffnet oder Strategieänderungen in der Vermögensverwaltung freigeben werden“, spannt Clary und Aldringen unter anderem einen Bogen zum Private Banking. Obendrein gibt es eine Investment-App, mit denen Entwicklungen auf den Finanzmärkten verfolgt werden können.
Auch bei Mitbewerbern verweist man auf das wachsende digitale Interesse an Wertpapiergeschäften. Raiffeisenbanker Plank meint, dass gut informierte Kunden, die keine Beratung in Anspruch nehmen wollen, um Produkte und Dienstleistungen online abzuschließen, dies in der „Mein ELBA App“ tun könnten. Er ergänzt: „Wir sehen aber auch starkes Interesse an digitalen Produkten aus unserem Haus, z. B. an der kürzlich gestarteten Kooperation mit Bitpanda.“ Der Wiener Finanzdienstleister ist vor allem für seine Handelsplattform für Kryptowährungen bekannt, hat das Angebot zuletzt jedoch etwa auf Rohstoffe und ETFs ausgeweitet.
Auch bei der Oberbank sieht man vermehrt eine Verschiebung vom Online-Kundenportal in Richtung App-Lösungen auf mobilen Endgeräten. Einzig, auf beiden Varianten sind die wesentlichen Inhalte zu den Depots und Positionen abrufbar. Hinzu kommen Markt- und Angebotsinformationen. Weitere Entwicklungen orientieren sich laut Stadlberger primär an den von Kunden reflektierten Wünschen: „Es geht dabei primär um vertiefende Informationen zu Portfoliostrukturen und flexibel eingrenzbare Zeiträume zur Performancerechnung. In diese Richtung werden wir die nächsten Schritte setzen.“
Angesichts solcher Entwicklungen stellt sich die Frage, ob der menschliche Kontakt im Private Banking womöglich gänzlich wegfallen wird. Dies verneinen die Experten einhellig. „Vor allem zu Beginn der Kundenbeziehung steht das Vieraugengespräch unabdingbar im Fokus. Ist das Vertrauen einmal gefestigt, dienen unsere digitalen Services als optimale Ergänzung“, betont BKS Vorstandsmitglied Juhasz. „Wenn es um komplexe Finanzthemen geht, ist der persönliche Austausch und das Vertrauen zwischen Berater und Kunden von größter Wichtigkeit“, bestätigt Erste Bank-Chefprivatbanker Clary und Aldringen. Auf digitale Anwendungen würden Kunden zusätzlich setzen.
Auch Plank sieht in der Digitalisierung vielmehr eine unterstützende Rolle. „Das persönliche Gespräch hat für unsere Kunden nach wie vor einen maßgeblichen Stellenwert“, sagt er. Vor allem bei komplexeren Vermögensfragen, Gesprächen zur Portfoliokonstruktion, Marktturbulenzen und neuen Angeboten werde der persönliche Austausch mit Spezialisten gesucht. „Wir haben deshalb das neue Private Banking Beratungszentrum im Raiffeisenhaus Wien entsprechend ausgestattet, um beide Welten – digital und physisch – miteinander zu kombinieren“, berichtet der Leiter Wertpapier Center und Private Banking.
Letztendlich findet damit selbst in der gehobenen Finanzwelt eine wachsende Symbiose zwischen Mensch und Maschine statt. Von der voranschreitenden Digitalisierung sollten letztendlich sowohl Privatbanken als auch vermögende Kunden profitieren.