Derzeit entscheidet sich, ob die Mobilitätsrevolution gelingt, konstatiert Adrian Daniel, Portfoliomanager im Team Absolute Return/Multi-Asset bei MainFirst, in seinem aktuellen Kommentar. Die technologischen Durchbrüche beim autonomen Fahren seien beeindruckend, doch die Umsetzung in den Alltag stehe sowohl technisch als auch gesellschaftlich und politisch noch vor einigen Hürden.
„Autonomes Fahren hat das Potenzial, die Mobilität grundlegend zu verändern“, sagt Daniel, der als Portfoliomanager insbesondere auf Zukunftsaktien setzt. „Doch nicht alle Entwicklungen verlaufen nach Plan.“ So hat jüngst General Motors angekündigt, sich mit der Tochterfirma Cruise aus der Entwicklung von Robotaxis zurückzuziehen. „Dieser Schritt hat die Branche aufgerüttelt und wirft die Frage auf, wie stabil die Fortschritte sind“, ordnet der Experte ein. Die großen Akteure im Bereich des autonomen Fahrens würden unterschiedliche technologische Ansätze verfolgen, die ihre Strategien und Ziele widerspiegeln. Daniel gibt einen Überblick über die wichtigsten Player der Branche:
TESLA MIT SONDERWEG
„Tesla nimmt eine besondere Stellung ein. Das Unternehmen setzt ausschließlich auf kamerabasierte Systeme. Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, dass die Wahrnehmung durch Kameras in Kombination mit fortschrittlicher Software ausreicht. Auf die lasergestützte LiDAR-Technik verzichtet der Autobauer zu Gunsten einer schlanken Kostenstruktur und Skalierbarkeit“, befindet der Portfoliomanager. Das Unternehmen sei überzeugt, dass fortschrittliche neuronale Netze und hochauflösende Kameras die notwendige Umgebungserkennung gewährleisten könnten. Ein weiterer zentraler Wettbewerbsvorteil Teslas sei die riesige Datenbasis, die das Unternehmen durch die Millionen von Fahrzeugen in Kundenhand generiert. Schließlich sei jedes Tesla-Fahrzeug mit Sensoren ausgestattet, die kontinuierlich Daten sammeln und an die zentrale KI-Infrastruktur des Unternehmens weiterleiten.
„Diese ‚Fleet Learning‘-Strategie ermöglicht es Tesla, seine Algorithmen schneller und effizienter zu verbessern als die Wettbewerber, die oft auf kleinere Testflotten angewiesen sind.“ Die „Full Self-Driving“-Software (FSD) sei ein weiteres Element, das Tesla abhebe. „Noch hat die FSD-Software nicht die volle Autonomie erreicht, aber sie bietet bereits eine breite Palette an Fahrerassistenzfunktionen und wird durch Over-the-Air-Updates kontinuierlich verbessert. Das stärkt Teslas Position, da die Kunden stets die neueste Technologie nutzen können, ohne ein neues Fahrzeug kaufen zu müssen“, so Daniel.
WAYMO SETZT AUF DOPPELTE SICHERHEIT
Waymo hingegen nutze eine Kombination aus Kameras, LiDAR und Radar für eine umfassende und redundante Wahrnehmung der Umgebung. „Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal von Waymo ist die detaillierte Kartierung der Einsatzgebiete. Die Fahrzeuge navigieren in hochpräzisen, vorab kodierten digitalen Karten, die speziell für städtische Gebiete erstellt wurden. Dieser Ansatz bietet ein hohes Maß an Sicherheit, erfordert jedoch erhebliche Ressourcen für die Erstellung und Pflege der Karten und führt dadurch zu einer begrenzten Anzahl von Einsatzorten bzw. Städten“, erläutert der Portfoliomanager.
Auch andere Konzerne setzen auf kombinierte Techniken: So integriere Volkswagen sowohl LiDAR- als auch kamerabasierte Systeme in seine autonomen Fahrzeuge. In Zusammenarbeit mit Partnern wie Argo AI fokussiere sich der Konzern auf den Einsatz in urbanen Verkehrsszenarien sowie auf langfristige Pläne für autonome Lieferdienste. Auch die General- Motors-Tochter Cruise setzte vor dem Rückzug aus bestimmten Bereichen des autonomen Fahrens auf Testflotten mit LiDAR, Radar und Kameras.
ZOOX ENTWICKELT ROBOTAXIS
Autonome Fahrzeuge ohne Lenkrad und Pedale, von Grund auf als Robotaxis konzipiert, sind die Spezialität von Zoox, einem Tochterunternehmen von Amazon. Zoox verwendet eine Kombination aus Sensorik und KI, um eine bidirektionale Bewegung und maximale Flexibilität in urbanen Gebieten zu ermöglichen.
„Baidu verfolgt mit seiner Plattform Apollo einen offenen Ansatz, der Entwicklern weltweit Zugang zu einer modularen Technologie bietet“, sagt Daniel. Diese lassen sich an spezifische Anwendungsfälle anpassen, von autonomen Taxis bis hin zu Logistiklösungen. Die unterschiedlichen Strategien reflektierten mit den technologischen Prioritäten die wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen, erläutert der MainFirst-Experte: „Die Wahl der Technologie hat direkten Einfluss auf die Kosten, die Skalierbarkeit und die Marktfähigkeit der autonomen Systeme.“ Daniel sieht die Branche vor Herausforderungen, die immense Chancen und Möglichkeiten eröffnen. So könnten autonome Fahrzeuge den Straßenverkehr sicherer machen, indem sie menschliche Fehler minimieren, die derzeit für die meisten Unfälle verantwortlich sind. „Die Automatisierung könnte auch zu einer effizienteren Nutzung von Ressourcen führen, indem Fahrzeuge besser ausgelastet und Routen optimiert werden. In der Logistik und im Güterverkehr könnten autonome Systeme Lieferketten revolutionieren, Kosten senken und eine zuverlässigere Versorgung gewährleisten“, zählt Daniel auf. Auch die Lebensqualität in Städten könnte durch autonome Fahrdienste verbessert werden, da weniger Fahrzeuge benötigt und Staus reduziert würden. Auch könnte die Mobilität für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung barrierefreier gestaltet werden.
Zudem dürften neue Geschäftsmodelle entstehen, erwartet der MainFirst-Portfoliomanager: „Ride-Sharing-Dienste könnten kostengünstiger und effizienter betrieben werden. Zudem könnten Automobilhersteller neue Einnahmequellen durch abonnementbasierte Software-Updates erschließen.“ Die Kombination von Elektrofahrzeugen mit autonomen Systemen berge das Potenzial für nachhaltigere Verkehrslösungen. „Wenn eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Industrie und Forschung in Sachen Regulierung und Standardisierung der Technologie gelingt, können globale Maßstäbe für Sicherheit und Effizienz gesetzt sowie Vertrauen geschaffen werden. So kann die Grundlage für eine neue Ära der Mobilität entstehen“, resümiert Daniel.