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Energiepreisdivergenzen: Weshalb die USA besser dastehen

August 2022
Die hohen Energie- und Treibstoffkosten in Europa könnten eine Rezession auslösen, konstatiert Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments, und erklärt, weshalb die USA besser dastehen.
Columbia Threadneedle Investments
Steven Bell, Columbia Threadneedle Investments

Steven Bell, Chefvolkswirt bei Columbia Threadneedle Investments für die EMEA-Region, verweist auf die außergewöhnliche Divergenz der Energiepreise in den USA und Europa. Die Aussicht auf himmelhohe Erdgaspreise in diesem Winter deuten auf eine Rezession in Europa und Großbritannien hin. Im Gegensatz dazu bedeutet die Stärke der US-Wirtschaft, dass die Fed die Zinsen so lange anheben muss, bis sie dort eine Rezession herbeiführt.

Als der Benzinpreis in den USA im Juni auf über 5 US-Dollar pro Gallone stieg, dachten viele Amerikaner, dass eine Rezession in den USA schnell folgen würde. Dem stimmten viele Wirtschaftsexperten zu, als sich die Zinskurve umkehrte und die Anzahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung wuchs. Jetzt sieht die Sache ganz anders aus: Zwar ist die Renditekurve immer noch invers, aber der Benzinpreis ist auf 4 US-Dollar pro Gallone gefallen, die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung haben sich auf einem niedrigen Niveau stabilisiert und die Höhe der US-Verbraucherausgaben hat die Pessimisten überrascht.

Auch wenn es eine Reihe guter Aussagen zur Inflation gab: Die Hoffnung, dass die Fed in absehbarer Zeit nicht gezwungen sein wird, die Zinsen weiter anzuheben, wurde durch kämpferische Aussagen von Mitgliedern des Zinsausschusses zunichte gemacht. Wie wir letzte Woche erörtert haben, bedeutet die starke und anhaltende Lohn- und Mietinflation in den USA, dass das Inflationsziel der Fed von 2 Prozent außer Reichweite ist, es sei denn, wir bekommen eine Rezession.

Autofahrer in Europa wären begeistert, wenn sie zu US-Preisen tanken könnten – sie entsprechen knapp über 1 Euro pro Liter. Die momentanen Beschaffungspreise für Erdgas sind in Europa und Großbritannien sogar achtmal höher als in den USA. Die europäischen Verbraucher sind davon noch nicht betroffen – es ist Sommer und die Verbraucherpreise sind noch relativ niedrig. Doch das Ausmaß der bevorstehenden Katastrophe ist in Großbritannien am deutlichsten zu erkennen. Die typische Energierechnung eines Haushalts lag zu Beginn des Jahres bei 1.277 Pfund pro Jahr. Sie wird ab Oktober auf etwa 3.600 Pfund steigen (die genaue Zahl werden wir am 26. August erfahren) und im kommenden Januar vielleicht auf 4.200 Pfund. Die jährlichen Energierechnungen der britischen Haushalte würden also in weniger als 12 Monaten um noch nie dagewesene 3.000 Pfund steigen. Die Regierung hat bereits einige Erleichterungen in Aussicht gestellt, aber der nächste Premierminister wird gezwungen sein, diese drastisch auszuweiten.

Man kann sich der Schlussfolgerung nur schwer entziehen, dass die wirtschaftlichen Aussichten in den USA deutlich besser sind als in Europa. Der starke Dollar könnte noch stärker werden, und obwohl die Zinssätze in Europa und in Großbritannien steigen, müssen die USA sicherlich den Weg weisen. Und Risikoanlagen? Steigende Zinsen und eine Rezession sind meiner Meinung nach kein Grund für einen Bullenmarkt bei Aktien.