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Frankreichs steiniger Weg

Juni 2024
Nach den Europawahlen rief der französische Präsident Emmanuel Macron Neuwahlen aus. Benjamin Melman, Edmond de Rothschild AM, erläutert mögliche Szenarien.
Edmond de Rothschild AM
Benjamin Melman, Edmond de Rothschild AM

Laut Benjamin Melman, Global Chief Investment Officer bei Edmond de Rothschild Asset Management, wird es ohne parlamentarische Mehrheit schwierig, wie angestrebt 20 Milliarden Euro bis 2025 zu kürzen. Für ihn sind in diesem Kommentar drei Szenarien nach den Neuwahlen in Frankreich am 30. Juni und 7. Juli möglich:

1. Die Renaissance-Partei von Emmanuel Macron behält mehr oder weniger ihre relative Mehrheit und die Regierung macht irgendwie weiter. Die Partei könnte versuchen, eine breitere Regierungskoalition mit anderen Parteien zu bilden, aber eine solche Koalition hat es unter dieser Regierung noch nie gegeben.

2. Der Rassemblement National (RN) hat eine relative Mehrheit. Das Land wäre dann noch schwieriger zu regieren, da es für die Oppositionsparteien einfacher wäre, sich gegen eine als extremistisch geltende Partei zusammenzuschließen. Unter diesen Umständen könnte jemand von außerhalb der politischen Arena oder von einer anderen Partei, aber mit Unterstützung des RN, zum Premierminister ernannt werden, um den Konsens zu erweitern.

3. Die RN gewinnt die absolute Mehrheit der Sitze. Das Wirtschaftsprogramm der Partei wird in den nächsten drei Wochen vorgestellt, so dass wir noch im Dunkeln tappen. Das letzte umfassende Programm der RN war für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022 vorgesehen, und die Berechnungen externer Beobachter deuteten damals auf eine erhebliche Verschlechterung der Staatsfinanzen hin – eine beunruhigende Aussicht angesichts der aktuellen Lage Frankreichs.

Man könnte einwenden, dass das sehr proaktive Programm von Georgia Meloni für 2022 ebenfalls ernsthafte Befürchtungen einer Schuldenkrise auslöste, die sich als unbegründet erwiesen. Andererseits hat die ehemalige britische Premierministerin Liz Truss unter ähnlichen Umständen die Folgen zu spüren bekommen. Und Italiens Staatsdefizit lag 2023 bei stolzen 7,2 Prozent des BIP, weshalb das Land weiterhin von Ratingagenturen und Investoren genau beobachtet wird. Und man kann sich sehr gut vorstellen, dass das, was internationale Investoren heute für Italien zu akzeptieren bereit sind, nicht mehr für Italien und Frankreich gelten wird, wenn letzteres wieder eine Politik der Ausweitung der Defizite betreiben sollte.

Es ist schwierig, über die Dynamik in Frankreich und Europa in den kommenden Wochen zu spekulieren. Bisher waren die Marktreaktionen moderat. Die Spreads französischer OATs gegenüber deutschen Bundesanleihen haben sich um sechs Basispunkte ausgeweitet, und der US-Dollar und der Schweizer Franken haben gegenüber dem Euro um 0,5 Prozent zugelegt. In Erwartung einer besseren Visibilität wären wir nicht überrascht, wenn eine europäische Risikoprämie zurückkehren würde. Wir überprüfen derzeit unsere Asset-Allokation.