Nach einem sehr guten ersten Halbjahr 2024 nimmt die Nervosität an den Aktienbörsen langsam zu. Das wirtschaftliche Umfeld bleibt zwar – insbesondere in den USA – gut, doch einige Faktoren könnten in den nächsten Monaten für Unsicherheit sorgen. Andererseits pushte die Berichtsaison in diesen Tagen wieder einige Werte – etwa das Schwergewicht SAP an der Frankfurter Börse – sodass man auch einiges an Volatilität erwarten darf, schreiben die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar.
REKORDNIVEAUS IM ERSTEN HALBJAHR
Der US-amerikanische Aktienmarkt profitierte in den letzten Monaten von einer robusten Konjunktur, einer rückläufigen Inflation und der Aussicht auf sinkende Leitzinsen. Der US-Index S&P erreichte seit Jahresbeginn insgesamt 37-mal ein Allzeithoch. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hinter dem starken Anstieg eine sehr ungleiche Entwicklung bei den Einzelwerten steht. Ein wesentlicher Teil dieser Top-Performance wird seit dem vergangenen Jahr von ein paar wenigen Titeln dominiert, große Bereiche des Marktes treten hingegen auf der Stelle.
Die „Magnificent 7“, die Tech-Riesen Apple, Nvidia, Alphabet, Meta, Amazon, Tesla und Microsoft werden vom aktuellen KI-Boom angetrieben. Vor allem der Chip-Hersteller Nvidia hat dieses Jahr zum großen Höhenflug angesetzt und trotz kurzer, zwischenzeitlicher Verluste seit Jahresbeginn um mehr als 160 Prozent zugelegt. Das Unternehmen von CEO Jen-Hsun Huang matcht sich damit mit Microsoft und Apple um Platz eins unter den wertvollsten Unternehmen der Welt.
Auch die europäischen Aktienmärkte konnten deutlich zulegen, wobei es zuletzt bloß infolge der Wahlen in Frankreich zu leichten Kursabschlägen kam. Positiv entwickelten sich zuletzt auch die globalen Emerging Markets, die aufgrund günstiger Bewertungen eine interessante Beimischung für global investierende Anleger:innen sind.
SINKENDE TEUERUNG
Die Weltwirtschaft entwickelt sich 2024 mit einem erwarteten realen Wachstum von rund drei Prozent sehr solide. Im Zuge dessen werden auch die Unternehmensgewinne ansteigen. Für die US-Unternehmen werden auf Sicht der nächsten Jahre zweistellige Gewinnwachstumsraten prognostiziert. Und auch europäische Unternehmen sollten laut Einschätzung der Analysten mittelfristig deutlich steigende Gewinne verzeichnen können. Das erfreuliche Umfeld ist einem stabilen Arbeitsmarkt und den rückläufigen Inflationsraten zu verdanken. Durch die Lohnsteigerungen der letzten Jahre haben die Konsument:innen nun – nach Jahren der Reallohnverluste – wieder Reallohnzuwächse, die wohl großteils in den Konsum fließen und damit das Wirtschaftswachstum unterstützen.
KOMMEN WEITERE ZINSSENKUNGEN?
Die Notenbanken haben das nötige Werkzeug, um sowohl unterstützend als auch restriktiv zu wirken und können ihr Instrumentarium einsetzen, um die Preisentwicklung zu stabilisieren. Mittelfristig sollte es gelingen, das gewünschte Zielniveau von 2% zu erreichen – einige, wahrscheinlich nur wenige, Zinssenkungen sollten in den nächsten Monaten helfen, den stabilen wirtschaftlichen Wachstumspfad zu unterstützen.
Die Europäische Zentralbank hat bereits einen ersten Zinsschritt im Juni vorgenommen und den Leitzzinssatz um 25 Basispunkte gesenkt. Die US-Notenbank Fed wartet noch ab und hält die Leitzinsen nach wie vor auf hohem Niveau. Jüngste Äußerungen von US-Notenbankchef Jerome Powell legen aber nahe, dass auch die Fed im zweiten Halbjahr die Zinsen senken könnte und somit das von den Börsianern erhoffte Zinssenkungsszenario eintrifft.
WOLKEN AM BÖRSENHIMMEL
Es gibt aber auch ein paar Anzeichen, dass sich der Börsenhimmel im zweiten Halbjahr eintrüben könnte. Am Horizont zeichnen sich Unsicherheiten ab, seien es geopolitische Konflikte wie der Streit um Handelszölle mit China, die Kriege in Gaza und der Ukraine sowie die polarisierende Politik in Europa oder die anstehenden Wahlen in den USA. All das könnte in den kommenden Monaten stärkere Schwankungen an den Märkten verursachen. Doch gemäß dem Motto „politische Börsen haben kurze Beine“ sollten diese nur von kurzer Dauer sein. Langfristig zählen für Investor:innen die Unternehmensgewinne und der Ausblick über die weitere Entwicklung der Unternehmen. Aufgrund der stark gestiegenen Aktienkurse könnte es in den nächsten Monaten zudem zu einer Phase von Gewinnmitnahmen kommen.
Sprich: Anleger werden ihre Kursgewinne realisieren wollen, indem sie ihre Aktien verkaufen. Dadurch werden Kursanstiege in der Regel gebremst oder gar gestoppt. Eine solch leichte Korrektur käme nicht unerwartet. Sie würde Investoren, welche noch nicht investiert sind, gute Einstiegsmöglichkeiten bieten.
ANLEIHEN ALS ALTERNATIVE
Allerdings sind Aktien längst nicht mehr alternativlos. Auch Anleihen haben mittlerweile an Attraktivität gewonnen. Zwar haben die hartnäckige Inflation und die immer weiter nach hinten geschobenen Leitzinssenkungen größere Kursanstiege bei Anleihen begrenzt. Dafür entschädigt das insgesamt höhere Zinsniveau Anleihekäufer mit soliden, laufenden Erträgen. Unter dem Strich besteht also die Aussicht auf ein gutes zweites Halbjahr, sowohl für Aktien als auch für Anleihen. Das Umfeld bleibt bei aller gebotenen Vorsicht gut.