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Mit fünf Kernanliegen in die Zukunft gedacht

Januar 2025
Michael Holzer, Fachgruppen-Obmann der Finanzdienstleister in der WKNÖ, und Obmann- Stellvertreter Martin Trettler wollen weiterhin viel für die Sparte bewegen. Im FONDS exklusiv-Interview skizzieren die beiden Spitzenkandidaten für die Liste des Wirtschaftsbundes bei den Wirtschaftskammerwahlen 2025 ihre fünf wichtigsten Anliegen.
WKNÖ
Michael HOLZER, Obmann der Finanzdienstleister in der WKNÖ und Martin TRETTLER, Obmann-Stellvertreter

FONDS exklusiv: Herr Holzer, werfen wir zunächst einen Blick zurück auf die vergangenen Jahre: Finden Sie, dass sich die Rahmenbedingungen für Finanzdienstleister verbessert haben?
Michael Holzer:
Sie haben sich massiv verändert – mehrheitlich zum Positiven. Sowohl das Ansehen als auch das berufliche Fortkommen haben sich deutlich verbessert, nicht zuletzt dank der Auflagen, beispielsweise hinsichtlich der verpflichtenden Fortbildungen. Darüber hinaus entsprechen nun die Befähigungsprüfungen für Gewerbliche Vermögensberater und Wertpapiervermittler den Anforderungen des Nationalen Qualifikationsrahmens Level 6. Das bedeutet, dass die Prüfungsaufgaben noch stärker in Verbindung mit der unternehmerischen Tätigkeit gebracht werden. Was der Branche zusehends zu schaffen macht, sind dagegen die teils überbordenden administrativen Regulierungen. 

Was haben Sie sich für die kommende Zeit für die Branche vorgenommen?
Martin Trettler:
Der Fokus liegt auf insgesamt fünf zentralen Bereichen: Deregulierung, verstärkter Austausch innerhalb der Branche, Kundenveranstaltungen, Finanzbildung und Digitalisierung.

Dann lassen Sie uns gleich mit der Deregulierung starten. Was genau ist Ihr Anliegen?
M. T.: Unser Ziel ist es, den Regulierungswahn einzudämmen. Die vielen administrativen Aufgaben landen vor allem auf den Tischen von Einzelunternehmern. Die Beratungszeit gerät dadurch unter die Räder. In Österreich wird leider sehr oft sogenanntes „Gold Plating“ betrieben.  

Was genau bedeutet dies?
M. T.: Österreich geht bei der Umsetzung von EU-Vorschriften häufig über die Mindestanforderungen hinaus. Ich gebe Ihnen ein Beispiel für die bürokratischen Auswüchse: Wer heute eine Finanzanlage abschließt, erhält 50 bis 60 Informationsseiten – noch bevor die eigentlichen Produktinformationen hinzukommen. Die wenigsten Kunden lesen all dies, was den Verbraucherschutz konterkariert. 

M. H.: Immer mehr Aufgaben sind mit immer höherem Aufwand verbunden – aber das gewünschte Ergebnis bleibt aus. Analog zu den Kundeninformationsdokumenten für Finanzprodukte, die unionsweit standardisiert und harmonisiert sind, muss es möglich sein, eine ähnlich knappe Information über die Beraterdienstleistung zu geben.
Ein rein hausgemachtes Problem ist die KIM-Verordnung. 2022 mit dem Zweck eingeführt, die Finanzmarktstabilität in Österreich zu sichern, bremst sie den Markt aus. Banken dürfen seither nur mehr private Wohnimmobilienkredite gewähren, wenn der Kreditwerber einen Eigenmittelanteil von mindestens 20 Prozent vorweisen kann und die monatlichen Rückzahlungen 40 Prozent des Nettoeinkommens nicht überschreiten. Die Folge: Wir finanzieren nun 70 bis 80 Prozent weniger Käufe als davor. Wir brauchen die Wirtschaftsleistung, die Investitionsentscheidungen aber heute. Von Gartengestaltern über Fliesenleger und Fassadenbauer bis hin zu Möbelhändlern und Küchenstudios leiden alle möglichen Sparten unter der KIM-VO. Die klassischen privaten „Häuslbauer“ haben aber noch nie eine Immobilien-blase verursacht. Unser Ziel ist es, mit dem Gesetzgeber in den Dialog zu treten und gangbare Lösungen für all diese Themen zu finden. Aber auch die EU ist in der Pflicht.  

Ein weiteres Vorhaben auf Ihrer Agenda sind regionale Stammtische. Was erhoffen Sie sich davon?
M. T.:
Die Resonanz auf die bereits stattgefundenen Stammtische in Niederösterreich war sehr positiv. Die Idee ist, dass Finanzdienstleister mit den Bezirksrepräsentanten zusammenkommen, um aktuelle Themen zu besprechen. Angesichts der Flut an medialen Informationen wollen wir Orientierung geben und aufzeigen, was wirklich relevant ist. Solche Treffen wollen wir mindestens zweimal im Jahr organisieren.

Sie erwähnten auch Kundenveranstaltungen …
M. T.:
Ein Highlight war kürzlich eine Veranstaltung im Stift Heiligenkreuz, bei der es um Kriterien für sinnvolle Geldanlagen ging. Bei solchen Veranstaltungen in angenehmer Atmosphäre können Berater und Vermittler gemeinsam mit ausgewählten Kunden und Experten wie Fondsmanagern oder Finanzanalysten diskutieren. Auch diese Events wollen wir mindestens zweimal jährlich durchführen, um Wissen zu vermitteln und den Austausch zu fördern.

Ein sehr wichtiges Thema in Österreich ist die Finanzbildung. Welchen Beitrag können Sie leisten?
M. T.:
Es wäre wünschenswert, wenn die Finanzbildung einen festen Platz in den Lehrplänen findet, damit die späteren Konsumenten fundierte Entscheidungen über Finanzbelange treffen können. Zumal Influencer manchmal mit hohen Renditeversprechen zu Produkten verleiten, die hohe Verluste oder sogar Totalverluste bringen können. Etliche Finanzdienstleister haben sich an Schulen bereits eigeninitiativ pro bono engagiert. Was in Österreich fehlt, ist eine Gesamtkoordination. Das Lehrpersonal könnte von uns unabhängige Schützenhilfe beim Wissenstransfer erhalten. Diese Aufgabe müsste allerdings auch honoriert werden, es wäre ein Budget dafür erforderlich.

M. H.: Wir müssen vor allem auch angesichts des Siegeszugs der Künstlichen Intelligenz aktiv werden. Auch auf Produkt-Ebene tut sich vieles: Krypto-Assets, nachrangige Anleihen, Crowd-Investing, um nur einige Trends zu nennen. Produkte sind nicht einfacher, nur weil sie digitalen Charakter haben. Wie gesagt, eine gute Aufklärung, die Berücksichtigung persönlicher Bedürfnisse und der persönliche Kundenkontakt sind nach wie vor durch nichts zu ersetzen. 

Haben Sie konkrete Beispiele, warum Finanzbildung so wichtig ist?
M. T.:
Viele junge Menschen verstehen nicht einmal grundlegende finanzielle Themen wie die Arbeitnehmerveranlagung. Sie bestehen die Führerscheinprüfung, aber wissen nichts über eine Haftpflichtversicherung. Das zeigt, wie groß der Bedarf ist. 

Stichwort Bildung – welche wesentlichen Initiativen gibt es für die brancheninterne Weiterbildung?
M. H.:
Hier ist vor allem der Bildungs-KickOff der Fachorganisationen der Finanzdienstleister zu erwähnen. Unsere Mitglieder können die Ausbildung gratis oder zum Großteil kostenlos besuchen. Die Teilnahme ist auch online möglich. Es ist österreichweit die größte Veranstaltung der Kammern: 2024 gab es mit insgesamt 2.597 Anmeldungen einen Besucherrekord. Die Zufriedenheitsrate liegt bei 98,4 Prozent. Selbstverständlich wird es auch 2025 wieder einen Bildungs-KickOff geben. 

Und wie sieht es mit dem letzten Vorhaben auf Ihrer Agenda, der Digitalisierung aus?
M. T.: Neben dem Schwerpunkt Tools für die unkomplizierte, digitale Abwicklung wie Beratungsdokumentationen, Auftragserteilungen etc. möchten wir unseren Social-Media-Auftritt perfektionieren. In einer kürzlich mit den Wiener Finanzdienstleistern eingegangenen Kooperation lassen wir Kurzvideos erstellen. Diese sollen unseren Berufsstand in einfachen Worten für unsere Kunden erklären und selbstverständlich darauf hinweisen, dass sich durch eine fundierte Beratung viele finanzielle Vorteile ergeben können.