Die massive Zinswende der Notenbanken zur Bekämpfung der erhöhten Inflation hat zu Turbulenzen auf den globalen Bondmärkten geführt. So haben die Zinserhöhungen kräftig auf die Kurse bestehender Anleihen gedrückt. Denn die Wertpapiere sind nunmehr mit geringer verzinsten Kupons ausgestattet als jene Papiere gleicher Laufzeiten, die nach den Zinsanhebungen begeben werden und infolgedessen höhere Erträge ermöglichen.
Ein Ende der geldpolitischen Straffung ist bisher noch nicht in Sicht. Harald Holzer, Chief Investment Officer und Vorstandsmitglied der Kathrein Privatbank, blickt auf die jüngsten Entwicklungen zurück: In den ersten Wochen 2023 haben die Kapitalmärkte die Handlungsbereitschaft der Notenbanken unterschätzt und korrigieren diesen Umstand seit Anfang Februar deutlich. Er meint: „Aufgrund der – vorerst – abgesagten Rezession und dem anhaltend festen Arbeitsmarkt haben die Notenbanken breiten Handlungsspielraum, um ihrem eigentlichen Arbeitsauftrag, der Inflationsbekämpfung, nachzukommen.“
Dazu zählen der schrittweise Abbau der Notenbankbilanzen und weitere Zinsanhebungen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hob die Zinsen Mitte März ein weiteres Mal um 0,5 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent kräftig an. Denn die Inflation verharrt hartnäckig auf hohem Niveau. Sie sank etwa in der Eurozone für den Monat Februar einmal mehr nur leicht. Die Jahresrate lag bei 8,5 Prozent. In den USA stiegen die Verbraucherpreise um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat und liegen damit ebenfalls noch weit über der Zielmarke der Notenbanken von zwei Prozent. Die Ursachen sind vielfältig, allen voran zählen dazu die niedrige Arbeitslosenrate, insbesondere in den USA, sowie höhere Rohstoffkosten.
Die Turbulenzen auf den Rentenmärkten stellen auch die heimische Private-Banking-Landschaft vor Herausforderungen. Denn solide Bondinvestments spielen bei vermögenden Kunden oftmals eine große Rolle in den Portfolios und sollten eigentlich als stabiler Anker in turbulenten Zeiten fungieren. FONDS exklusiv sprach deshalb mit Top-Privatbankern zu ihren Einschätzungen und aktuellen Anlagestrategien. Der Kathrein-Experte verweist in diesem Zusammenhang etwa auf den Zinsausblick in seinem Haus, wo man das Ende des Anhebungszyklus in der Eurozone bei 4,25 Prozent, in den USA bei 5,50 Prozent sieht. Holzer ergänzt: „Mit einer Zinssenkung rechnen wir heuer nicht.“
Heuer keine zinssenkungen
Ähnlich lautet die Prognose anderer Häuser. Bei der Oberbank ging man in der Einschätzung von Ende Februar noch von einem Leitzinshöchststand bei 5,25 Prozent in den USA und vier Prozent in der Eurozone aus, wie es heißt. Das könnte nunmehr nach oben revidiert werden: „Möglicherweise ist die Prognose inzwischen etwas zu tief gegriffen“, konstatiert Erich Stadlberger, Leiter Private Banking und Asset Management.
Wie wird es an den Rentenmärkten weitergehen? Wolfgang Ules, Chief Investment Officer bei Schelhammer Capital Bank, meint: „Die Geldmarktrenditen werden weiter steigen, da sie von den Leitzinsen beeinflusst werden. Die Renditen mittel- bis langfristiger Anleihen werden hingegen nicht mehr im selben Ausmaß steigen.“ Konkret erreichte etwa der 3-Monats-Euribor, ein Referenzzinssatz für Termingelder auf Euro-Basis im Interbankengeschäft, Mitte März bereits knapp drei Prozent (siehe Grafik). Das historische Tief von Anfang 2022, als der 3-Monats-Euribor auf minus 0,605 Prozent abrutschte, liegt somit ein gutes Stück zurück. Stattdessen nähert sich der Referenzzinssatz der Marke von 5,4 Prozent, ein Wert, der kurz vor Ausbruch der Finanzkrise von 2008 erreicht wurde. Die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen erreichte Mitte März demgegenüber rund 2,1 Prozent. Anfang des Vorjahres waren es rund null Prozent.
Lassen sich mit Anleihen nun wieder höhere Renditen lukrieren und sind damit wieder ein Investment wert? Ules meint: „Anleihen können ihre stabilisierende Funktion wieder erfüllen, die aufgrund der Negativzinsen zuvor nicht mehr gegeben war.“ Und er betont: „Das bedeutet mehr Ertragschancen bei geringerem Risiko.“ Gleichzeitig mahnt der langjährige Marktexperte jedoch auf Qualität zu achten und verweist in diesem Zusammenhang auf die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor. So schlug die Schließung der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA hohe Wellen in der Branche. Die SVB war stark in langlaufenden US-Staatsanleihen veranlagt, deren Kurse aber infolge der Zinserhöhungen gefallen waren. Als Bankkunden größere Summen an Einlagen abziehen wollten, mussten die Anleihen mit hohen Verlusten verkauft werden. „Weitere Unternehmen werden dem Kampf gegen die Inflation zum Opfer fallen“, meint Ules und fügt hinzu: „Umso wichtiger ist der Fokus auf Anleihen bester Bonität.“
Privatbankern bietet das veränderte Umfeld aber auch Chancen, die jedoch unterschiedlich genutzt werden, so zum Beispiel in einem ausgewogenen Portfolio. Bei Schelhammer Capital Bank wurde nach der verkürzten Zinsbindungsdauer bei Anleiheinvestments im vergangenen Jahr die durchschnittliche Laufzeit nun angehoben. Staatsanleihen bilden dabei wieder eine zentrale Rolle, wie es heißt. Das Spektrum sei groß und umfasse neben der österreichischen Staatsanleihe auch jene aus den USA und der Schweiz.
Inflationsgeschützte Anleihen spielen ebenfalls eine Rolle, wie etwa bei der Kathrein Privatbank. Bei solchen Papieren werden in der Regel Nominale und Kupon regelmäßig an die Inflationsrate angepasst. Obendrein steigt der Kurs, wenn der Bedarf an einer Inflationsabsicherung ebenso steigt.
Unverzichtbare Staatsanleihen
Insgesamt setzt man bei der Kathrein Privatbank derzeit aber auf Anleihen mit kürzeren Laufzeiten. Solche Papiere werfen zwar eine geringere Rendite ab als länger laufende Bonds. Dafür halten sich die Kursschwankungen in Grenzen. Holzer ergänzt: „Staatsanleihen sind ein essentieller Teil der Anleihequote.“ Sie beträgt derzeit 42,5 Prozent im ausgewogenen Musterportfolio des Hauses. In den USA werden Treasuries allerdings aufgrund der ESG-Ausrichtung durch supranationale Emittenten ersetzt. Denn in den USA gibt es unter anderem nach wie vor die Todesstrafe. „In Europa werden Staatsanleihen über die Länder der Eurozone breit gestreut.“ Jedoch werden einzelne Euro-Staaten wie Frankreich und Finnland mit Blick auf die Energieerzeugung durch Atomkraft sowie Griechenland etwa wegen seines Militärbudgets aus Nachhaltigkeitsaspekten ausgeschlossen.
Sehr wohl kommen aber Staatsanleihen aus anderen Ländern der europäischen Peripherie in Frage, betont Holzer und ergänzt: „Spanischen und italienischen Staatsanleihen wird in der Veranlagung ebenfalls ausreichend Platz eingeräumt. Sie sind neben Deutschland strukturelle Schwergewichte und erfüllen überdies unsere Nachhaltigkeitsansprüche.“ Italien und Spanien sind mit der dritt- bzw. viertgrößten Wirtschaftsleistung in der Eurozone wesentliche Wirtschaftsfaktoren in Europa, zeigt der Chief Investment Officer auf. Die Eurokrise 2011 habe zudem gezeigt, dass die EZB über Handlungsspielraum zur Unterstützung des Eurosystems und damit der Eurostaaten verfüge.
In den Schwellenländern wird aktuell rund sieben Prozent des Portfolios in Lokalwährungsbonds von supranationalen Emittenten investiert. Vor allem Mexiko sowie Brasilien stehen dabei im Fokus. Letzterer Region kommt ihre Rohstoffvielfalt zugute. Das Land könnte von Chinas Wiedereröffnung und dem damit einhergehenden Rohstoffbedarf profitieren.
Außerdem spielen Unternehmensanleihen auf Euro-Basis mit einer Gewichtung von 13 Prozent (in diesem Anteil sind auch variabel verzinste Emissionen enthalten) eine wichtige Rolle. Bei der Oberbank ist dies noch weitaus stärker der Fall. Stadlberger sagt: „Unternehmensanleihen sind das Kernstück im Anleihebereich. Hier sind wir sehr hoch gewichtet.“ Im Oberbank „Premium Strategie ausgewogen“ machen derzeit solche Papiere, insbesondere Euro-Emissionen, eine Gewichtung von 27 Prozent aus. Der Leiter Private Banking & Asset Management verweist dabei auf das Renditeniveau, das zuletzt über vier Prozent lag.
Stadlberger mahnt jedoch, die Risiken nicht zu unterschätzen: Vor allem die Kerninflation bleibe hartnäckig hoch. „Die Arbeit der Notenbanken ist damit noch nicht beendet“, sagt er. Zwar scheine grundsätzlich schon sehr viel der zukünftigen Zinsanstiege in den Märkten eingepreist zu sein. Ein Restrisiko bleibe dennoch, dass sich das Blatt zum Negativen wenden könnte.