Trotz des stärkeren politischen Gegenwinds seit den Europawahlen hat sich an der Notwendigkeit einer grünen Transformation der Wirtschaft nichts geändert. Eher im Gegenteil. Auch die Versicherungswirtschaft leistet hier einen wichtigen Beitrag und mit ihr alle Österreicherinnen und Österreicher, die auf nachhaltige Weise privat für ihre spätere Alterspension vorsorgen wollen. Allerdings ist das bislang die Minderheit. Begründet liegt das nicht nur darin, dass Nachhaltigkeitsthemen seit einiger Zeit von anderen überlagert werden, sei es die Migration oder geopolitische Krisen. Auch der europäische Gesetzgeber hatte die Hürden in der Vergangenheit noch erhöht, statt sie zu senken.
Stichwort Nachhaltigkeitspräferenz-abfrage. Berater und Vermittler kennen das. Die Kunden müssen angeben, ob sie einen Mindestanteil in taxonomiekonformen Veranlagungen oder in ESG-Veranlagungen nach der EU-Offenlegungsverordnung vornehmen wollen oder ob nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren durch ihr Investment explizit ausgeschlossen werden sollen. Diese Differenzierung ist schwer verdaulich und dem Ziel – nachhaltige Veranlagungen zu fördern – sicherlich alles andere als dienlich. Hinzu kommt, dass es offenbar beachtliches Enttäuschungspotenzial bei nachhaltig ausgerichteten Kunden dahingehend gibt, dass Veranlagungen mit hohen Mindestanteilen in der Breite oft gar nicht wie gewünscht umgesetzt werden können.
Default-Option wirkt BEI KUNDEN am besten
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Können bessere Informationen den Kunden helfen, sich für nachhaltige Versicherungen zu entscheiden? Um Antworten darauf zu finden, machten Forscher am Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Dortmund in Deutschland ein Experiment mit 2.000 Personen: Die Teilnehmer wurden in 15 Gruppen aufgeteilt und mit folgenden „Nudging“-, also Anreiz-Faktoren konfrontiert: einer Vorabinformation zur Nachhaltigkeit, einer emotionalen Nachhaltigkeitsbefragung, einem Nachhaltigkeitssiegel und einer Vorbelegung der gewünschten Antwort, was als Default-Option bezeichnet wird. Einige Gruppen sollten sich nur mit einem Anreiz auseinandersetzen, andere mit einer Kombination aus mehreren. Bei der Kontrollgruppe gab es keine dieser Aktivitäten im Beratungsablauf.
Das Ergebnis: Unter den vier „Nudging“-Faktoren war die Default-Option am besten geeignet, den Kunden eine nachhaltige Variante einer Lebensversicherung nahe zu bringen. Die Wirkung wurde durch die Kombination mit weiteren Anreiz-Faktoren verstärkt, schreiben die Autoren. Allerdings gelte nicht das Motto „viel hilft viel“, denn zu viele Anstöße würden dann eher den Gegeneffekt erzeugen. Insgesamt zeigte sich aber, dass das Nachhaltigkeitsinteresse der Kunden durch eine vereinfachte und emotionalisierte Ansprache in großem Maß gesteigert werden konnte, resümieren die Experten. So äußerten bei der Befragung vor Vertragsabschluss 60 Prozent der Getesteten mit gegenüber 47 Prozent ohne Anreiz-Faktoren, an der Nachhaltigkeit ihrer Anlage interessiert zu sein. Zugleich stellten die Autoren in der Studie fest, dass der Vertrieb von Lebensversicherungen ohne Beratung nicht sinnvoll erscheint. Denn in der Realität sind es die Berater und Vermittler, die ihre Kunden ausführlicher informieren und ihre Fragen beantworten.