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Rezessionsrisiko sinkt

März 2023
Die Konjunkturerwartungen sind optimistischer geworden, Inflation und Leitzinsentwicklungen bleiben stark im Vordergrund, betont Christian Nemeth, Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank Österreich.
ZKB Oe
Christian Nemeth, ZKB Oe

Christian Nemeth, Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank Österreich (ZKB Oe), analysiert die Entwicklung der Kerninflation, spricht über die heikle „Tablettenkur“ für den Markt und erklärt die aktuelle taktische Ausrichtung der Privatbank.

DER CHINA-EFFEKT

Die Konjunkturerwartungen sind sowohl was Amerika als auch Europa betrifft, durchaus optimistischer geworden. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass wir davon profitieren, dass in China doch ein spürbarer Schub durch die Wirtschaft geht, ausgelöst durch die Lockerung der Restriktionen in Bezug auf Covid. Das tut der Wirtschaft gut und ist auch vor allem im Dienstleistungsbereich, aber auch in anderen Segmenten, sichtbar. Die gesamten Gewinnausweise, die sukzessive berichtet wurden, sind durchaus optimistisch. Es gibt positive Signale, auch das Konsumentenvertrauen hat sich, von sehr tiefem Niveau kommend, stabilisiert.

Insgesamt ist das Rezessionsrisiko kleiner geworden. Auf der anderen Seite sind die Themen Inflation und Leitzinsentwicklung nach wie vor sehr stark im Vordergrund. Die Inflation geht insgesamt betrachtet zurück, aber in einzelnen Staaten und Regionen doch langsamer, als man sich wünschen würde. Im Jänner lag die Gesamtteuerung in der Eurozone bei 8,6 Prozent, auf ein Jahr betrachtet eine noch immer sehr hohe Zahl. Die Kerninflation lag bei 5,2 Prozent. Die Erwartung für Februar ist, dass wir einen Rückgang in der Gesamtteuerung sehen werden, sich die Kerninflation jedoch nicht viel nach unten bewegen wird. In Amerika ist das Zahlenniveau zwar insgesamt etwas anders, aber prinzipiell ist es ein ähnliches Phänomen. Wir gehen in die richtige Richtung, doch der Weg ist zäh und langsam.

HEIKLE „TABLETTENKUR“ FÜR DEN MARKT

Generell ist zwischen nachfrage- oder angebotsseitiger Inflation zu unterscheiden. Wenn die Inflation höher ist, weil die Nachfrage so stark ist und deswegen die Wirtschaft boomt, dann kann die Notenbank dementsprechend gut gegensteuern, indem sie versucht, die Nachfrage über höhere Zinsen zu dämpfen und daher den Preis für viele Güter und Dienstleistungen bestimmen kann. Wenn die Inflation angebotsseitig ist, weil einfach weniger produziert werden kann, wie etwa während der Pandemie, dann wirkt natürlich auch die Politik der Notenbanken in einem wesentlich schlechteren Maße. Es ist vergleichbar mit einer Tablette, die man gegen Magenschmerzen nimmt, und am Beipacktext steht, sie wirkt in drei Stunden. Nach 15 Minuten haben sich die Probleme nicht stark verbessert und man nimmt die nächste Tablette. Nach einer halben Stunde spürt man noch immer nichts und nimmt eine weitere Tablette.

Nach drei Stunden, wenn das alles zu wirken beginnt, folgt eine massive Reaktion und man schießt wahrscheinlich über das Ziel hinaus. Das ist die Gefahr, die der Markt bei den Notenbanken sieht. Wir sagen immer, dass die Maßnahmen sehr weit in die Zukunft gerichtet sind und es mindestens sechs bis zwölf Monate dauert, bis Auswirkungen zu sehen sind. Die Notenbanken haben nun auch bei jeder Sitzung dem Markt eine Tablette gegeben. Die Frage ist, wie stark sie wirkt und wann. Ja, der Zinszyklus wird weniger intensiv werden, weil man mit kleineren Schritten arbeitet, aber wir müssen uns darauf einstellen, dass es vielleicht länger dauert.

ETWAS DEFENSIVERE TAKTISCHE AUSRICHTUNG

Hier schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite sehe ich sehr viel positives Momentum. Immer dann, wenn der Markt leicht zurückgeht, merkt man relativ rasch, dass es Kaufinteresse gibt. Das ist an und für sich ein positives Zeichen. Liquidität ist noch immer da und obwohl es genügend Anlagealternativen gibt, sind Aktien real gesehen noch immer das Instrument, mit dem man einen Werterhalt und einen Zuwachs am ehesten erreichen kann. Auf der anderen Seite besteht natürlich das Risiko der etwas längeren Zinsanhebungszyklen. Das ist natürlich schon auch Gegenwind für die Aktien. Deswegen haben wir uns daher entschieden, uns etwas defensiver zu positionieren und auch ein wenig Gewinne mitzunehmen. Das soll nicht als Timing-Faktor für Ein- oder Ausstiege gesehen werden.

Hierzu haben wir eine feste Meinung: Man muss investiert sein, sonst kann man nichts verdienen, egal ob auf der Aktien- oder auf der Anleiheseite. Selbst im Geldmarkt gibt es interessante Möglichkeiten. Wir sind etwas defensiver ausgerichtet, weil es mit dem aktuellen Umfeld etwas unsicherer geworden ist und würden dann eher wieder bei tieferen Kursen versuchen, günstiger nachzukaufen. Wir nehmen ein bisschen etwas aus Europa und aus Amerika zurück. Wir sind nach wie vor in Europa übergewichtet, es ist weiterhin die interessanteste Region, sind aber nicht mehr so stark im Markt drin. Ich glaube, dass sich der Ausblick mittelfristig wieder stark aufhellen wird, wenn die Wirtschaft gut unterwegs ist und die Inflation langsam, aber doch zurückgeht. Dann gibt es auch wieder Chancen, doch es dauert noch einige Zeit.