Startseite » Nachhaltigkeit » Wie echt ist „grün“?

Wie echt ist „grün“?

Oktober 2024
Die heimische FMA setzt auf neue Regeln gegen den Etikettenschwindel bei nachhaltigen Investmentfonds. Mehr als 200 Fonds sind in Österreich betroffen.
Adobe Stock

Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) legt großen Wert darauf, dass Anleger an den Finanzmärkten reiner Wein eingeschenkt wird und nicht in Marketing und Vertrieb Behauptungen aufgestellt werden, denen die Produkte in der Realität nicht standhalten. Ein Beispiel dafür ist das Greenwashing: zum Beispiel Investmentfonds, die damit werben, das eingesammelte Geld in ökologische, soziale oder dem unternehmerischen Wohlverhalten verpflichtete Zwecke (ESG) zu leiten, dieses Versprechen aber nicht erfüllen. Ein solches Versprechen kann bereits im Namen des Fonds angedeutet werden, etwa wenn Begriffe wie „grün/green“, „nachhaltig/sustainable“ oder ESG verwendet werden, um die entsprechende Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Viele Anleger wünschen sich, dass mit ihrem Geld ESG-Investitionen finanziert werden“, so die FMA-Vorstände Helmut Ettl und Eduard Müller. „Sie sollen sich darauf verlassen können, dass in einem Fonds ‚nachhaltig‘ drinsteckt, wenn ‚nachhaltig‘ draufsteht. Die Verhinderung von Greenwashing ist daher für die FMA ein wichtiger Schwerpunkt.“

NEUE LEITLINIEN

Mit 21. November 2024 treten neue europäische Leitlinien der europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) in Kraft, die Fonds in die Pflicht nehmen, wenn sie mit ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen im Fondsnamen werben. Die Leitlinien sollen Anleger vor unbegründeten oder übertriebenen Nachhaltigkeitsaussagen in Fondsnamen schützen. Den Fondsmanagern wiederum sollen klare Kriterien an die Hand gegeben werden, anhand derer sie beurteilen können, ob sie solche Begriffe in ihren Fondsnamen verwenden dürfen.

Die Leitlinien legen erstmalig europaweit fest, dass für die Verwendung dieser Begriffe ein Mindestschwellenwert von 80 Prozent der Investitionen verwendet werden soll. Das bedeutet: wenn durch den Namen ein bestimmtes ESG-Anlageziel impliziert wird, dann müssen mindestens 80% des verwalteten Vermögens dieses Ziel auch erfüllen. Bisher wird mangels europäischer regulatorischer Vorgaben in vielen Fällen nur mit einem Schwellenwert von 50% gearbeitet. Umgekehrt sehen die Leitlinien auch Ausschlusskriterien vor: Je nach ESG-bezogenem Begriff im Fondsnamen sind Investitionen in Unternehmen in gewissen Sektoren ausgeschlossen: Kohle, Erdöl, Gas und emissionsintensive Stromerzeugung (hier gelten jeweils spezifische Schwellen der Unternehmenseinnahmen in den Bereichen), umstrittene Waffen, Tabak sowie Firmen, die konkrete Prinzipien einer guten Unternehmensführung (good governance) nicht befolgen.

MEHR ALS 200 FONDS BETROFFEN

In Österreich sind unmittelbar mehr als 200 Fonds mit mehr als 40 Milliarden Euro an verwaltetem Vermögen von den Leitlinien betroffen. Fast alle heimischen Kapitalanlagegesellschaften bieten derartige Nachhaltigkeitsfonds an. Die meisten Fonds verwenden explizit ESG- und Nachhaltigkeitsbegriffe im Fondsnamen, gefolgt von Umwelt- und Sozialbegriffen. Darüber hinaus stellen auch ethische Begriffe in Fondsnamen eine etablierte Gruppe in Österreich dar. Indirekt sind die neuen Leitlinien zu Fondsnamen auch für andere Sektoren des Finanzmarkts relevant, etwa den Wertpapiervertrieb bei Banken, fondsgebundene Lebensversicherungen von Versicherungsunternehmen oder nachhaltige Investitionen von Pensions- und Betrieblichen Vorsorgekassen.

„Wir begrüßen die Leitlinien der ESMA, da sie zu mehr Markttransparenz beitragen, einen europäischen Mindeststandard festlegen und damit zu Wettbewerbsgleichheit beitragen“ so Ettl und Müller. Die FMA wird die ESMA-Leitlinien daher mit 21. November 2024 in ihre Verwaltungspraxis übernehmen und insbesondere bei neuen Fonds die Anforderungen bereits im Rahmen des Bewilligungsverfahrens als verbindliche Kriterien in den Fondsbestimmungen der Fonds überprüfen. Um die laufende Einhaltung der neuen Anforderungen zu überwachen und das Risiko von Greenwashing zu reduzieren, führt die FMA gezielte Aufsichtstätigkeiten zur Überprüfung der Offenlegungen sowie der Einhaltung der offengelegten Anlagestrategie durch. Dazu setzt die FMA ein Greenwashing-Analyseframework bei Publikumsfonds ein, welches sich auch Methoden der automatisierten Textanalyse und Künstlicher Intelligenz bedient.

Die ESMA hat am 21. August 2024 die Sprachfassungen der Leitlinien veröffentlicht, die drei Monate danach, am 21. November 2024, in Kraft treten. Für Fonds, die bereits vor dem 21. November 2024 bestehen, gilt eine Übergangsfrist von sechs Monaten, also bis 21. Mai 2025. Alle neuen Fonds, die ab dem Datum des Inkrafttretens gegründet werden, haben die Leitlinien sofort anzuwenden.