Das globale konjunkturelle Umfeld wird zunehmend herausfordernd. Zuletzt hat sich nebst den USA auch in der Eurozone die Inflation als durchweg hartnäckig erwiesen. Die Verbraucherpreise stiegen im Mai um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreswert und damit mehr als erwartet. Wolfgang Ules, Chief Investment Officer bei der Schelhammer Capital Bank, zieht angesichts der jüngsten Entwicklung ein klares Fazit: „Wir wussten, dass die letzten Meter der Inflationsbekämpfung die schwierigsten sein würden. Leider hat sich diese Einschätzung bestätigt.“
Das Dilemma der Europäischen Zentralbank (EZB) sei nunmehr, dass die Inflation eigentlich noch keine Zinssenkung zulasse. „Zugleich aber leiden Unternehmen, private Haushalte und Staaten unter der hohen Zinslast“, so Ules. Obendrein erfordere die aktuell schwache Konjunktur weitere Zinssenkungen. Freilich, die EZB ist sich dieses Dilemmas bewusst. So wurde der Leitzins in der Juni-Sitzung um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent gesenkt. Dennoch äußerten sich die europäischen Währungshüter vorsichtig bezüglich der weiteren Inflationsentwicklung. In den USA offenbarte die jüngste Sitzung von Mitte Juni ebenfalls Interessantes: Die Leitzinsen wurden in einer Spanne von 5,25 und 5,5 Prozent belassen. Fed-Chef Jerome Powell meinte, dass der Kampf gegen die Inflation äußerst zäh voranschreite.
Doch es gibt auch positive Aspekte, auf die Wolfgang Fusek, Leiter Vermögens- und Fondsmanagement in der Steiermärkischen Sparkasse, verweist: „Die Weltwirtschaft ist mit einer Prognose beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das laufende Jahr von knapp über drei Prozent gut aufgestellt.“ So rechnet beispielsweise der Internationale Währungsfonds mit einem Wachstum von 3,2 Prozent. Vor allem in den USA ist das Wachstum anhaltend robust, betont Fusek. Doch immerhin könne sich auch Europa auf tiefem Niveau stabilisieren und zeige erste Anzeichen einer langsamen Konjunkturerholung.
Für Anleger gilt es in solch einem Umfeld, umsichtig zu agieren. Viele Aktienindizes haben zuletzt Rekordstände erreicht, während solide Anleihen nach Jahren der Tiefzinsära erstmals wieder eine höhere Rendite aufweisen – und somit als vernünftige Beimischung Chancen eröffnen. Mitte Juni rentierten etwa zehnjährige deutsche Bundesanleihen bei 2,47 Prozent.
Wie aber gehen Top-Privatbanker aktuell bei einem ausgewogenen Portfolio vor? Harald Friedrich, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Liechtensteinischen Landesbank Österreich (LLB Oe), verweist auf die Positionierung in seinem Haus, wo der Aktienanteil zuletzt bei 40 Prozent und damit unter der neutralen Gewichtung von 45,5 Prozent lag. „Derzeit wählen wir dieses Untergewicht, da die Aktienbewertung insgesamt noch immer merklich erhöht ist und die Mehrzahl der Marktteilnehmer aktuell eine im historischen Vergleich hohe Aktienquote aufweisen“, begründet Friedrich seine Zurückhaltung. Er geht auf weitere Aspekte ein und meint: „Falls die optimistischen Markterwartungen in Bezug auf Unternehmensgewinne, Inflationszahlen und Leitzinssenkungen enttäuscht werden, droht schließlich eine schärfere Aktienkorrektur.“
AKTIEN NICHT ÜBERGEWICHTEN
Bei der Steiermärkischen Sparkasse lautet der Tenor ähnlich. Fusek betont, dass bei Aktien aktuell eine Übergewichtung vermieden wird. „Die inverse Zinskurve sowohl in den USA als auch in Europa zeigt nach wie vor Rezessionsgefahren an“, begründet der Investmentexperte bei der Steiermärkischen Sparkasse. Der Aktienteil wäre in solch einem Umfeld vermutlich belastet. Fusek erklärt obendrein, wie aktuelle Schwerpunkte bei der Aktienquote aussehen. So liege das Hauptgewicht nach wie vor in den USA. „Die deutlich attraktiveren Wachstumsraten, die anstehenden Präsidentschaftswahlen sowie die Konjunkturprogramme von US-Präsident Joe Biden lassen die USA weiterhin als attraktiven Investitionsstandort dastehen“, erklärt er.
Allerdings sei der US-amerikanische Aktienmarkt nicht mehr der billigste, weshalb eine ausreichende globale Streuung ebenfalls wichtig sei, so etwa auf Europa. Doch auch die Emerging Markets, wie etwa China, böten nach stärkerer Korrektur ein attraktives Einstiegsniveau. „Die Gewichtung im Aktienteil sollte für die Emerging Markets jedoch nicht zu hoch sein, da Restrisiken wie die Immobilienkrise in China noch auf die Märkte einwirken“, konstatiert Fusek.
Bei der Schelhammer Capital Bank, wo die Aktienquote zuletzt bei 40 Prozent lag, hat Ules ebenfalls eine klare Präferenz: „So werden aktuell die USA vor Europa und den Emerging Markets gewichtet.“ Letztendlich seien attraktive Qualitätsunternehmen in sämtlichen Regionen zu finden. Er nennt in diesem Zusammenhang konkrete Investmentbeispiele im ausgewogenen Portfolio aus seinem Haus: „Besonders gefallen uns Gesundheitstitel wie Merck, Novo Nordisk und Eli Lilly, der Diabetes-Spezialist, der mit Medikamenten gegen Adipositas und vielversprechenden Präparaten gegen Alzheimer zum wertvollsten Pharmakonzern der Welt wurde.“
Die Konsumtitel Costco Wholesale, Procter & Gamble und Walmart zählen ebenso zu den Investments. Dies seien allesamt Unternehmen, die von einer anhaltend robusten Wirtschaft sowie einem weithin starken und resilienten Konsumklima in den USA profitierten. Überhaupt werde die Aktienquote bei der Schelhammer Capital Bank ausschließlich über Einzeltitel abgedeckt. Damit unterscheidet sich der Ansatz von jenen anderer Privatbanken, die auf eine Streuung mit ETF und Fonds setzen.
Bei der Anleihequote gibt es ebenso klare Investmentansätze, wobei auch hier etwa bei der LLB Oe das Hauptaugenmerk jenseits des Atlantiks liegt. So findet Friedrich, dass in den USA die Staatsanleiherenditen, die zuletzt bei zehnjährigen Laufzeiten 4,24 Prozent betrugen, im Vergleich zu den Gewinnrenditen von Aktien sehr attraktiv sind. „Auch absolut haben wir ein solch positives Renditeniveau bei US-Staatsanleihen zuvor das letzte Mal im Jahr 2007 erlebt“, sagt der Stellvertretende Vorstandsvorsitzende der LLB Oe. Gänzlich ausgeschlossen werden hingegen aufgrund der im historischen Vergleich sehr tiefen Kreditrisikoprämien Hochzinsanleihen. Insgesamt habe man die Anleihequote im ausgewogenen Musterportfolio über die vergangenen 18 Monate sukzessive auf aktuell 44 Prozent angehoben.
Auch Ules von der Schelhammer Capital Bank legt großen Wert auf Anleihen von Staaten, aber auch von staatsnahen Emittenten bester Bonitäten, die mit einer Gewichtung von rund 35 Prozent den Großteil des Anleiheportfolios stellen. Obendrein wird ein Teil der Anleihequote in inflationsgeschützte Anleihen investiert. So könne man einen Zusatzertrag lukrieren, der umso größer ist, je höher die künftige Inflation ausfällt, als aktuell erwartet wird. „Zusätzlich veranlagen wir in Unternehmensanleihen guter Bonität. Solche Papiere weisen historisch geringe Schwankungen auf und bieten attraktive Zusatzerträge“, sagt Ules. Aktuell werde das Segment mit rund 20 Prozent gewichtet.
Zudem kann sich eine Diversifikation in Rohstoffe lohnen. Sie bewegen sich aktuell ebenfalls in positivem Fahrwasser und unterstützen die Streuung im Portfolio weiter, betont Fusek. Insbesondere Gold stand zuletzt aufgrund des Höhenflugs beim Preis im Fokus. Friedrich von der LLB Oe sagt dazu: „Wir setzen die Krisenwährung Gold als Portfoliostabilisator für unsichere Zeiten ein. Die Position weist aktuell im ausgewogenen Musterportfolio ein Gewicht von zwei Prozent auf und wird in Vermögensverwaltungen über physische Goldbarren sowie in Fonds über einen Gold-ETC abgedeckt.“ Ähnlich ist der Ansatz bei der Schelhammer Capital Bank.
Alles in allem lohnt sich angesichts der höheren Renditen eine ausgewogene Mischung an Aktien und Anleihen sowie die Beimischung weiterer Anlageklassen. Solch eine Konstellation kann letztendlich auch helfen, turbulentere Phasen, etwa aufgrund ungünstiger konjunktureller Entwicklungen oder verschärfter geopolitischer Konflikte, besser zu überstehen.